...
in Kolumbien
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seit dem 09.10.2016 nicht mehr aktualisiert ...
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„Das Bild
Kolumbiens ...
... ist geprägt von
Berichten über Gewalt, Drogenhandel und den andauernden
Kriegszustand“ eröffnet eine Rezension
zu Werner Hörtners "Kolumbien
verstehen", und nach der Lektüre des
Buches muss nicht jederfrau zwangsläufig verständlich sein, warum wir
ausgerechnet diese Gegend bereisen möchten ...
Monate vor dem
Lesen haben wir gut zugehört – den Seekirchnern. Und die
zeigten sich nicht nur fasziniert ob der imposanten, höchst
unterschiedlichen Landschaften – sie waren auch tief beeindruckt von den
offenen, herzlichen Menschen, den „freundlichsten, liabsten", denen
sie in Südamerika begegnet seien.
Also nehmen wir nach intensiven Reisen durch
Südostasien gerne das Risiko in Kauf, auf welches ein Slogan des
einheimischen Tourismusministeriums hinweist: El unico riesgo es que te quieres quedar
…
In der letzten
Novemberwoche soll’s losgehen. Der Flug ist gebucht, ein Domizil in
Bogotá bereits ins Auge gefasst.
Vamos a
ver ...
... auch, ob und in welchem Umfang wir unserer
geplanten Route
folgen. Weil weniger bisher immer mehr war, werden wir auch auf dieser
Reise nicht hetzen und
statt dessen auf nachhaltige positive Erlebnisse
aus sein. Damit bis dahin die dunklen Abende nicht unendlich länger
werden, hier einige Alternativen zu Träumereien bei Kerzenschimmer:

(aus dem
World Fact Book
...)
(... und von unserem
AA)
(
Reisemedizin ...)
(... und
Wikipedia)
(Vertiefung durch die
GIZ)
(Handfestes aus dem
Forum)
(Reporter
ohne Grenzen)
(Human
Rights Watch)
(amnesty
international)
(International
Crisis Group)
(TRANSPARENCY
INTERNATIONAL)
(arbeitsgruppe
schweiz-kolumbien)
(Blick ins Archiv
DER SPIEGEL ...)
(... und von
ALJAZEERA)
Wir
bekennen, …
…wir
können gewissen Nebeneffekten der Gentrifizierung durchaus etwas
abgewinnen – machten
sie doch aus dem historisch ältesten Stadtteil Bogotás, dem ehemals
arg vernachlässigten und herunter gekommenen Zentrum
La Candelaria
ein hippes Viertel,
in dem kräftig renoviert wurde und noch wird und in dem die Dichte an
Szenekneipen, Off-Theatern, In- (und auch weniger „In“) Cafés enorm hoch
ist.
Zwar
wird aus diesem im “typisch kolonialen“ Schachbrettmuster angelegten,
weitgehend nur
zweistöckig bebautem barrio in
bester Hanglage so
rasch kein Prenzl’berg, doch Ähnlichkeiten mit den Entwicklungen in
Friedrichshain und KreuzKölln sind nicht von der Hand zu weisen.
Allerdings finden sich noch reichlich einfache, auch für Studenten gut
bezahlbare Wohnungen, schlichte Bars, günstige Fresskneipen und Tante
Emma Läden, die frisches Gemüse nur knapp über dem Supermarktpreis
anbieten.
Eine
Vielzahl der Hochschulen liegt in fußläufiger Entfernung, und so
dominieren StudentInnen (und Alteingesessene - Betonung auf „alt“)
spätestens nach Seminarschluss, sprich am frühen Abend, das Viertel.
Touristen halten sich trotz der vielen Backpacker, Hostals und
einfachen Pensionen in erträglichen Mengen – und teilen sich oft mit
Studenten die Gemeinschaftsküche in der Unterkunft.
All
das hält „die Wohlhabenden aus dem Norden“ nicht ab, sich hier zum
Kaffee, zum Dinieren, zum Theaterbesuch oder gleich zu allem zu
treffen.
Von alldem
offensichtlich unbeeindruckt gehen „die Einheimischen“ dem nach, dem sie
nachzugehen haben. Manchmal sitzen sie auch nur: auf der Türschwelle,
dem Fensterbrett, auf
Mäuerchen
vor der Kirche,
Treppenstufen, gestalten oder beobachten das Treiben in ihrem
Viertel. Dabei sind sie uns Fremden gegenüber keineswegs zurückhaltend
oder gar abweisend: Auf Fragen wird höflich, meist so ausführlich
geantwortet, dass mir eine Wiederholung gut tut. Die wird freundlich
und meist in verständlichem Sprachtempo gewährt. Unaufgeforderte Hinweise und
Erläuterungen zu Begebenheiten oder Gebäuden entfalten unsere gerunzelte
Stirn, erfolgen jedoch weiter ab von den „klassischen
Sehenswürdigkeiten“. Kontaktaufnahmen wie in Myanmar oder Rajasthan
unterbleiben – dazu ist mensch doch zu sehr Columbiano.
Beim Schlendern
durchs Wohnviertel stoßen wir nicht nur hin und wieder auf (ehemals)
herrschaftliche Stadtvillen, sondern durchaus auch auf Transportmittel,
die zu den wenigen noch Katzenkopf gepflasterten Straßen und Gassen
passen.
Straßenkünstlern und solchen, die es werden wollen begegnen wir zuhauf.
Und die bunten Fassaden der überwiegend aus Backstein errichteten Häuser
liefern die gewünschte Kulisse fürs Fotoshooting angehender Glitter and
Glamour Girls - und Boys ...
Was
Wunder, dass wir uns in dieser Gegend, in die uns der Reise- (Ver-)führer
mit seiner
mainstream Ausrichtung geleitet hat, ausgesprochen wohl fühlen – und
noch besser: Wir wohnen fast
mittendrin.
Nun ja die Kehrseite der Gentrifizierung
erschließt sich uns (noch) nicht – doch bemerken wir zahlreiche
Menschen, die darunter leiden dürften: Offensichtliche Bettelei ist
selten; dass einer ärmlich aussehenden Frau mal aus einer Bäckerei oder
einem Restaurant eine Tüte gereicht wird, fällt uns verschiedentlich
auf. Männer, die Papier und Pappe, Plastikmüll etc. einsammeln, begegnen
uns öfter. Youngster, die abhängen, halten sich im Rahmen. Sie wirken
nicht aggressiv oder provozierend. Abgerissene Typen sind uns kaum
untergekommen. Gut möglich, dass die zahlreichen Überwachungskameras
und die sehr starke Präsenz an Sicherheitskräften (von privaten über
Polizei bis zu Militär) den Deckel (noch) auf dem Topf halten. Die
Einheimischen
begegnen ihnen wie den Reichen aus dem Norden: Sie nehmen sie hin …
(Fotos vom
Spaziergang durch La Candelaria)
(wiki
zu
Bogotá)
(Infoseite der
Stadtverwaltung)
Raus
aus der Stadt …
…
aufs Land, wo die Umgebung grüner, die Luft reiner und die Sicht klarer
ist - und wo noch immer Menschen wohnen - diejenigen, welche weder die
klassische Landflucht noch die vor Gewalt gepackt hat und die noch nicht
im Sog der Großstädte (74%) leben. Fast 25% der Kolumbianer oder knapp
8,5 Millionen sind es allein in Bogotá.
Dass dieser Ort im
Laufe eines halben Jahrhunderts von einer Kleinstadt zu einer Metropolen
gewachsen ist, fällt beim Schlendern durch La Candelaria oder das
Historische Zentrum um die Pl. Bolívar nicht auf; dass die
Hauptstadt aus vielen einzelnen Städten besteht, er“fährt“ man mit dem
TransMileno
von Las Aguas
zum Portal del Norte: Verwaltungsviertel, aufgemotzter
Bankenbereich, leicht heruntergekommene Bloques mit Backsteinhäusern
(auch -villen) im altenglischen Stil aus den Dreißigern, hingerotzte
Satelliten und, zum Norden hin, schicke Wohnblocks mit viel Grün
dazwischen.
Dass
die Bewohner der Metropole hingegen aus so ziemlich allen Regionen des
Landes stammen, lassen die verschiedenen
Gesichtsformen und -farben
vermuten, die uns gerade auch in den von uns bevorzugten
Auslaufgebieten begegnen. Zwar finden sich auffallend häufig helle
Teints in Anzug oder Kostümchen gekleidet, doch tauchen sie auch in
legerer oder gar nachlässiger Garderobe in Cafés oder im Straßenverkauf
nicht nur in der „Séptima“ auf. Anders als in Chile bilden "Weiße"
jedoch eindeutig eine Minderheit.
Überall leben zahlreiche Bogotanos vom „kleinen Geschäft“ ihrer
angebotsmäßig unterschiedlich ausgerichteten Tante Emma Läden, in dem
die Kiezbewohner (fast) alles für ihren täglichen Bedarf decken
(könnten). Marktlücken zu füllen, fällt den Straßenverkäufern schwer -
doch schnurlose Kommunikation ist gefragt; und was Süßes für
zwischendurch auch..jpg)
Von offensichtlicher
Armut nehmen wir in unserem behüteten Schonraum kaum etwas wahr – es
gibt sie, in
extremem Ausmaß.
(wiki zu
Plaza Bolívar)
(Eindrücke aus dem
Historischen Zentrum)
(Straßenszenen)
„Goldige Zeiten“ erleben wir nicht im unbedingt sehenswerten
Museo de Oro, wohl aber eine
Wanderung durch die verschiedenen präkolumbianischen Kulturen, ihre
Lebens- und Wirtschaftsweisen und ihre gesellschaftlichen Strukturen.
Entsprechend eingebettet entfalten die Exponate eine noch größere
Wirkung. „Die im Goldmuseum ausliegenden Artefakte legen aber nicht
nur Zeugnis von den herausragenden handwerklichen Fähigkeiten der
prähispanischen Indiokulturen ab, sie gestatten den Blick in ihre
Vorstellungswelt, eine Welt, die in einem engen Bezug zu den natürlichen
und übernatürlichen Wesen stand.“ (aus
Sebra, S. 110)
(paar eigene
Fotos aus dem Goldmuseum)
(colombia travel
zum
Goldmuseum)
Mit
den oft beachtlichen (Un-)Proportionen seiner dargestellten Menschen
holt uns
Botero
wieder
auf den Boden der (zumindest seiner) Wirklichkeit zurück. Beim Malbec im
Café des
Museums lassen sich dann
abgeschirmt von lästigen Einflüssen zumindest einige Eindrücke in
verständliche Worte fassen.
(einige
Ablichtungen dazu)
Apropos …
…
aufs Land. Dort sind wir tatsächlich gelandet – nach einer guten Stunde
Busfahrt vom Portal del Norte durch ein weites Hochtal (2.600 m
üNN), welches von bewaldeten Dreitausenderketten flankiert wird. Mitten
aus saftig grünen Weideflächen blenden weitläufig angelegte
Gewächshäuser, denen das für die Hauptstadt gedachte junge Gemüse
entspringt..jpg)
In
Zipaquirá, einem Provinzstädtchen (Betonung auf Provinz) des
Departamento
Cundinamarca
begegnen wir einmal mehr der „typisch kolonialen“ spanischen
Stadtstruktur: Um die zentrale Plaza gruppieren sich repräsentativ(e)
Gebäude, von der Catedral San Antonio über Bischofs- und Stadtpalast bis
zu einigen vornehmen Bürgerhäusern, weiß getüncht mit lang gestreckten
Holzbalkonen. Treffen sich auf der Plaza de los Comuneros
überwiegend Familien und in die Jahre gekommene Arrivierte (oder auch
noch nicht ganz so …) zum Schwatz und Gesehenwerden im Stehen, so steppt
auf der Plaze de La Independencia mit zunehmendem Abend
fortlaufend der Bär in Gestalt Jugendlicher und jung Gebliebener. Die
meist einstöckigen schmucken Häuser beherbergen außer einem Schnapsladen
ausschließlich Bars, Cafés, Restaurants – gewohnt wird woanders … Hier
muss am besten häufiger aufkreuzen, wer als „gesehen worden“ gelten
will..
(wiki
zu
Zipaquira)
(Fotos
von der Stadt)
Außerhalb „des Herzens der Altstadt“ setzt sich das Schachbrettmuster
der Straßen mit wenig markanter Bebauung fort und franst zu den Rändern
in Gewerbegebiete aus.
„Zipa
war für die
Muisca
das Zentrum der Salzgewinnung …“
(Sebra,
s.150), hat also bereits zu vorhispanischen Zeiten für Wohlstand (und
Neid) gesorgt, spielte danach der spanischen Krone Gold in die Schatulle
und sorgte zu Beginn des 20. Jahrhunderts für eine Eisenbahnverbindung nach Bogotá.
Die
Catedral de Sal
unter Tage ist zweifelsohne Hauptattraktion des Ortes und wirkt trotz
der
mitunter ins leicht kitischige abgleitenden bunten Beleuchtung durchaus
imposant.
(Fotos von der
Catedral de Sal, Zipa).jpg)
Auch
im Nachbardorf
Nemocón
wurde Steinsalz abgebaut, auch hier liegt eine Salzkathedrale unter
Tage. Anders jedoch als die in Zipa ist sie nicht „extra in den Berg
getrieben“, sondern in einem „ausgesalzten Stollen“ angesiedelt worden,
den man nach einem spannenden Rundgang durch einen Teil des
aufgelassenen Bergwerks erreicht – unter sachkundiger Führung, versteht
sich.
(Fotos von
Nemocón)
(interaktive Karte
von
Cundinamarca)
(Kartenüberblick zum
ersten Teil unserer Reise)
Unsere
Suche nach dem „El Dorado“ …
… endet an
dem Ort, an dem die Legende ihren Anfang genommen haben soll: der
Laguna
de
Guatavita.
Zwar bekommen wir am Krönungsort des Thronfolgers der Muisca den mit
Goldstaub bedeckten nackten Körper des jungen Zipa nicht unter die
Augen, doch genießen wir nach dem Anstieg durch den
Páramo einen überwältigenden Anblick des „Nabels des Universums“.
Der
Legende
nach wurde der designierte Häuptling eines der Stämme der
Chibcha
auf einem Floß in die Mitte des kreisförmigen Sees gerudert, wo
er ein Bad nahm, Unzähliges an Goldgeschirr als Opfergaben versenkte und er den Pakt mit den Göttern bekräftigte. Als Beweis für den
Wahrheitsgehalt dieser Darstellung wird das
Balsa Muisca
angeführt, das im Goldmuseum von Bogotá ausgestellte güldene Floß. Mit
der Verbreitung der Story zog es
reichlich Abenteurer zur Laguna – mit
höchst bescheidenem Erfolg.
Selbst im
hellen Sonnenlicht hat der auf 3.100m Höhe gelegene, nach innen steil
abfallende Krater, Spuren eines gewaltigen Meteoriteneinschlags vor gut
2000 Jahren, mit seinen dicht bewachsenen Hängen etwas Besonderes. Die
etwa hundert Meter unterhalb des Randes gelegene Wasserfläche des „Lago
de Amor“ schimmert von türkisfarben über Flaschengrün bis Smaragd. Wie
mystisch muss jener heilige Ort erst wirken, wenn ihn Nebelschwaden
durchziehen. Gut vorstellbar, dass er auf die Bewohner der Umgebung (und
nicht nur die) eine starke spirituelle Anziehungskraft ausübt(e).
(ColombiaTravel
zur Lagune)
(mehr zur
Legende und ihren Folgen ...)
(Fotos von
der
Laguna de Guatavita)
In
guter Hoffnung …
…
(La ESPERANZA) sind wir mit den Befreiern (LIBERTADORES – solche Namen
geben sich
hierzulande die Busgesellschaften) unter Zuhilfenahme eines
kollektiven Minibusses zügig in Rothenburg ohne Tauber eingetroffen. Es
kommt uns allerdings alles ein wenig spanisch vor, zumal wir kein Wort
Englisch hören …
Als
Sommerfrische für wohlhabende
Encomenderos
vor knapp 450 Jahren gegründet, präsentiert sich
Villa de Leyva
heute sowohl von der
baulichen Substanz als auch vom Stadtbild her (wäre was für Dich, Siggi)
als „wahr gewordenes koloniales Märchen“ (Reise Know How), ohne
jedoch Disneylandcharakter zu verströmen.
Weiß
getünchte zweistöckige Häuser mit flaschengrün gestrichenen Balkonen,
Fensterrahmen, Balustraden und Türen - letztere geben mitunter den Blick
frei auf großzügige, reichlich mit Oleander und Bougainvillea bepflanzte
Patios – säumen die mit ansehnlichen Feldsteinen grob gepflasterten
Straßen und Gassen, in denen so gut wie keine der ansonsten bei
Kolumbianerinnen so beliebten High Heels klappern. Und auch die
Autofahrer halten Schrittgeschwindigkeit ein, ohne dass ein Gebotsschild
dies fordert …
Auch
wenn kaum Gebäude zu finden sind, in deren Erdgeschoss kein Café, keine
Bar, keine Tienda, kein Restaurant, kein Hostal, kein Andenkenladen,
kein Mobilfonoperator angesiedelt ist, das Städtchen lebt, wirklich: In
jedem der Häuser wohnen Einheimische, das ganze Jahr über, prägen das
Ortsbild und nutzen die „Infrastruktur für Touristen“. Sie bevölkern die
Ausschankeinrichtungen bereits lange, bevor sich die ersten
kolumbianischen Fremden eingefunden und noch lange nachdem sich die
letzten in ihr Domizil zurückgezogen haben. Win-Win also …
Was
Wunder, wenn Leben hier unaufgeregt, unhektisch, entspannt abläuft,
zumal sich selbst
„konkurrierende“ Kneipiers, deren Zapfhähne in
unmittelbarer Nachbarschaft liegen, beim Transport der Fässchen in ihre
jeweiligen Goldgruben gegenseitig helfen … Selbst das örtliche Rudel
streunender Hunde gibt sich ausgesprochen friedlich.
Nach
einem „richtigen Kaffee“ am Morgen auf der Plaza bewegen wir uns
straßenweise durch die lokale Geschichte. Die Kolonialbauten um den mit
120m Seitenlänge historischen Marktplatz, einem der größten Kolumbiens,
verleihen ihm den gebührenden Rahmen – und uns reichlich Fotomotive. In
einem der Häuser tagte im Herbst 1812 der Kongress von sieben wichtigen
Provinzen Neu Granadas und wählte
Camillo Torres
zu
ihrem Präsidenten. Das Städtchen kann auch noch mit weiteren
Nationalhelden aus der Unabhängigkeitsbewegung aufwarten:
Antonio Nariño
und
Antonio Ricaurte..jpg)
Wir
lassen einstweilen
die Historie ruhen und frönen dem frisch Gezapften aus einer der o.e.
Goldgruben am Platz, Manfred hat seine "Dorfkneipe" getauft ...
(Info von Colombia
Travel zu
Villa de Leyva)
(Info
Local Homepage)
(Fotos vom
Spaziergang durch Villa de Leyva)
Villa de Leyva liegt in einem ausladenden Talkessel auf gut 2.100m Höhe.
Die Sohle ist allerdings alles andere als eben, wie wir während unserer
Rundtour per Rad erstrampeln dürfen. Und weil zu radelnden Höhendifferenzen um gut 150m in diesen Lagen nicht zu unserem
Standardrepertoire
gehören, freuen uns noch so geringe Anlässe, die Drahtesel in die Ecke
zu stellen und zu verschnaufen.
In
der Casa Terracota z.B., die ein sympathisch verrückter Architekt
im Adobestil unter Einfluss von Gaudí, Hundertwasser und AKS aus dem
Westerwald erbaut und gestaltet hat, lässt sich ein wohlwollendes
Schmunzeln nicht vermeiden.
Beim
Alto de Las Cometas müssen wir auf einen kometenhaften Aufstieg
verzichten. Nach der Quälerei bringen die eher an Baggerseen erinnernden
Pozos Azul zwar Farbe ins Spiel, doch mehr auch nicht.
Bergab läuft’s dafür um so besser – bis zum Fundort eines gut 120 Mio.
Jahren alten Skeletts eines Meeressauriers (Kronosaurus), dem noch paar
Ammoniten in den Präsentationsraum El Fósil gegeben sind.
Mit
ein wenig Phantasie finden wir die vom Volksmund so getaufte „Plaza de
Monika Lewinski“
(sic!), einem gut 1.500 Jahre alten Ritualort, der die (männliche)
Fruchtbarkeit bezeugen sollte – und, als „El Infiernito“, ein
Himmelsobservatorium beherbergt, an dem nach Schattenfall und seiner Länge
von eingelassenen Säulen der geeignete Zeitpunkt zur Aussaat bestimmt worden sein
soll.
Für
die Rücktour nehmen wir einen unbefestigten Weg, der uns ohne
Katzenbuckel nach Villa zum verdienten Bier an der Plaza führt.
(Fotos
von der Radtour)
Zum
Dominikanerkloster Convento del Santo Ecce Homo lassen wir fahren
– übertrainiert sein soll sich kontraproduktiv auswirken (auf alles) …
(Fotos
vom Dominikanerkloster)
Zwei
Welten, …
…
getrennt durch einen Bach, begegnen uns in dem Töpfer- und
Kunsthandwerkerdorf
Ráquira,
etwa 25 km südwestlich von Villa de Leyva. Hie der Ort mit seinen bunt
gestrichenen Fassaden,
hinter
denen es, einmal mehr, Cafés, Restaurants, Bars, Tiendas – und – Läden
gibt
mit der Grundfläche von Supermärkten, in denen Töpferwaren aller Art,
Webarbeiten, Hängematten, geflochtene Körbe und alle möglichen Souvenirs
zum Weglaufen angeboten werden; dort, über eine Brücke, in der
Mehrzweckhalle der Sonntagsmarkt, in dem die überwiegend indigene
Landbevölkerung all das verkauft, was Boden, Sträucher und Bäume
hergeben: frische Kartoffeln, Zwiebeln, dicke Salatköpfe, Erdbeeren,
Brombeeren, Mangos, Papayas, Orangen …
Hie,
wo fast jedes Haus ein Andenkenladen ist, stauen sich an
Wochenenden die Pkws der Bogotános, wird der Parkraum knapp, strömen
Familien mit Kind und Kegel durch die Straßen und stöbern zwischen
Irdenwaren und Webtaschen.
.jpg)
Dort
sitzen Mann und Frau, Jung und Alt beim Bier, stehen hinter oder vor
ihrem zugewiesenen Markt“platz“, bieten ihre Waren feil, feilschen oder
lassen feilschen. Fremde mit heller Hautfarbe sind ausgesprochen selten
…
(hie Fotos vom
Töpferdorf)
(dort welche vom
Sonntagsmarkt)
Der
Weg ist das Ziel, …
…
legen wir kurzerhand fest, nachdem uns trotz intensiven Verhandelns am
Eingang zum
Nationalpark
Santuario de Iguaque
noch immer fast zwanzig Euro Eintritt abgeknöpft werden
sollen. Nach einer ausgiebigen Rast schütteln wir den Staub von den
Füßen und steigen bis zur Bushaltestelle ab.
So
verbringen wir einen ruhigen Nachmittag mit Villa de Leyva ganz für uns:
keine
Lichterfesttouristen mehr im Ort, das Bänkchen neben der
Dorfkneipe frei, die Stufen zur Plaza auch. Was wir versäumt haben?
Schaut’s Euch an!
Uff
der Banke …
…
neben der Dorfkneipe beginnt mit einem Plausch zwischen einem
deutschen „Missionar“ – er bemüht sich mit angenehmem Geschick,
möglichst viele Reisende für/zu Kolumbien zu bekehren – ein höchst
spannender und unterhaltsamer Nachmittag: Zwei reisende Pärchen aus der
Ü 60 Liga (im allerbesten Alter also) werden von seiner Frau und ihm zum
Kaffee auf deren Finca eingeladen.
.jpg)
Das
Anwesen ist herrlich gelegen. Mit viel Geschmack und
Fingerspitzengefühl wurde das Gelände in Hanglage gestaltet und birgt
einen gewachsenen botanischen Garten, der einen Querschnitt nicht nur
durch die andine Flora bietet (Grünkohl wächst auch hier – das ganze
Jahr über, wie alles).
Die
Finca entpuppt sich als prächtiges, mit viel Herz und ebenso viel
Verstand liebevoll konzipiertes und eingerichtetes Ensemble, für das
wir glatt unsere Dachgeschosswohnung verlassen würden, zumindest
zeitweise.
Vor,
während und nach dem „schnellen Apfelkuchen“ des Hausherrn gibt’s nicht
nur die Einführung „Kolumbien für Anfänger“, sondern gleich die ersten
Module für Fortgeschrittene mit dichten Hintergrundinformationen aus
profunder Quelle und Ergänzendem aus dem Nähkästchen, zu dem ein
gleichfalls im Ort lebender deutscher Freund unserer Gastgeber gar
Einiges beizusteuern weiß. Details dazu in Berlin, bei einem guten Wein
(wenn einer ausreicht …).
Auf
die Fahrkünste so mancher Einheimischer abhebend, bedauern die Migranten,
dass es hierzulande nicht üblich ist, den Jugendlichen zum 18.
Geburtstag den Führerschein zu schenken. Stattdessen würde so mancher
jungen Maid zu einem durch Silikon optimierten Busen verholfen – was
unsere bisherige Annahme, es handele sich um endemische Ausprägungen,
Lügen straft. Doch leuchtet nunmehr ein, warum von dem, was
aufzupeppen kostspielig ist, jede Menge offengelegt wird. Ein Porsche nur für die Garage ist schließlich auch öde …
Euch
Dreien an dieser Stelle nochmals ganz herzlichen Dank für die
Gastfreundschaft und das (mit-) geteilte Wissen!
„Zum
Beten reicht’s“ …
…
warnen uns die Jungs aus dem „La
Roca“,
viel mehr gebe
Chiquinquirá
nicht her. Nach dem Versprechen in die Hand, ja nicht die Smaragdminen
um Otanche oder Muzo aufzusuchen - die beiden führen arge Bedenken ob
unserer Sicherheit an - entlassen sie uns zum Busbahnhof.
Wir
fahren einmal mehr durch eine Mischung aus Voralpenland und Schäbischer
Alb, sehen vor allem Holsteiner auf den Weideflächen der Hochebenen und
eher klein parzellierte Fincas.
Bereits
beim ersten
Gang durch die Fußgängerzone zur Basilika der
Señora del Rosario
und ein wenig weiter, können wir nicht anders: Wir müssen den Jungs
Recht geben.
Nach
dem zum Schmuckstück herausgeputzten Villa de Leyva fallen die hiesigen
leicht vernachlässigten Fassaden und das wenig geschlossen wirkende
Stadtbild deutlich auf. Und weil es auch ansonsten an Attraktivem fehlt,
werden wir, vergnügungssüchtig wie wir nun mal sind, nach einer Nacht
im Wallfahrtsort über San Gil nach Barichara weiter reisen, einer Empfehlung von Uli und
Carmenza folgend.
(paar
schöne Seiten)
„Ruheplatz“ …
...
lautet die deutsche Übersetzung unseres derzeitigen Wohlfühlortes aus
der Chipchasprache und trifft genau – spätestens ab dem späten
Nachmittag, wenn die letzten kolumbianischen Butterfahrer eines der
schönsten Kolonialdörfer (so die Eigenwerbung) wieder verlassen haben.
Nachdem
wir uns aus dem eher nichtssagend bis tristen Chiquinquirá durch einige
Vegetationszonen abwärts geschraubt (den Weideflächen auf der höchst
unebenen Hochebene folgen kleine Bananenplantagen, weite
Zuckerrohrfelder in Hanglage, erste tropische Früchte; eine „Etage
tiefer“ gedeiht Hochlandkaffee unter Schattenbäumen) und einige ganz
nett anmutende Städtchen hinter uns gelassen haben, empfängt uns
Barichara
in mittlerer Festtagsstimmung: Im Parque Central sind sämtliche Bänke
besetzt, überall stehen die Leut’ in Grüppchen und erzählen, fleißige
Handwerker tünchen die Hauswände und/oder streichen Fenster- und
Türrahmen flaschengrün.
In
unserer Unterkunft fühlen wir uns sofort wie zu Hause – nicht nur die
kleinen Dinge stimmen. Vom Blick über die Dächer auf die Kathedrale (es
ist zwar nur eine Kirche, doch ob der geringen Einwohnerzahl erschlägt
das mächtige Glaubensgetüm – olle, nicht nur katholische, Taktik: selber
groß tun, um andere klein zu machen …) angelockt, schlendern wir durch
den Ort..jpg)
Schnurgerade verlaufen die Sträßchen hügelauf- und hügelabwärts im
Schachbrettmuster. An der Nordwestecke endet die Bebauung: Die Hochebene
bricht jäh an einer Kante zum gut 400m tiefer gelegenen Tal des Rio Suárez
ab.
Auch
wenn wir uns vorkommen wie in einem Exposé von „Unser Dorf soll schöner
werden“ – das Ensemble wirkt gewachsen, in sich geschlossen, stringent
gepflegt, und hat doch nichts Aufgesetztes, Gekünsteltes, Maniriertes;
nett herausgeputzt ja, doch weit weg von manch getuntem Winzerdorf an
der Mosel; Weinfeststimmung für Niederländer/Briten oder gar
Drosselgassatmosphäre kommen hier nicht auf. Da wären die Einheimischen
vor, die in Ruhe ihren eigenen (Alltags-)Stiefel leben und zurückhaltend,
doch freundlich und ausgesprochen hilfsbereit (geblieben) sind.
(erste
Fotoeindrücke
vom Ort)
(Infos zum
Departamento Santander)
Den
Königsweg zu finden …
…
fällt zumindest Politikern zumeist extrem schwer – uns nicht: bergauf zu
Sta. Barbara, an der Abbruchkante entlang zu Simon Bolivar und schon
stehen wir vor den wiederaufbereiteten
Reminiszenzen
prähispanischer Kulturschaffender. Die ersten Wege in den Ostkodillieren
waren nach Sebra zunächst „traditionell spirituelle Routen, die zu
den heiligen Lagunen …“ geführt haben sollen und später auch als
Handelswege genutzt wurden. Pecunia non olet …
…
dachten sich auch die Konquistadoren, welche in Kolumbien nicht auf ein
erstklassiges Wegesystem wie das der Inkas in Peru stießen, befestigten
also die Hauptwege und suchten neue Verbindungen vom Hochland zum
Rio Magdalena,
um ihre wie auch immer erworbenen Reichtümer rasch und (relativ) sicher
außer Landes zu schaffen. Entlang der
Caminos Reales
gründeten spanische Hauptleute die ersten Städte.
Weniger aus historischem Interesse oder menschenfreundlichen Motiven
ließ
Geo von Lengerke
im 19. Jahrhundert Teilstücke des Königsweges mit unbehauenen Steinen
befestigen – auch er legte Wert auf eine intakte Infrastruktur, um als
Hut- und Tabakhändler großen Stils (Chinarinde soll später in die
Angebotspalette aufgenommen worden sein) zu arrivieren – und erreichte
damit die Anbindung des Departamentos Santander an das internationale
Handelsnetz.
Ob aus Gründen der Denkmalpflege oder als Touristenattraktion, im
Auftrag des nationalen Instituts für Straßenpflege wurde der Abschnitt
zwischen Barichara und Guane jüngst in Stand gesetzt ...
Nach gut neun
Kilometern erreichen wir also auf
geschichtsträchtigen
Feldsteinen das
einstige Zentrum des
Indianerstammes gleichen Namens.
„Sie waren Meister in der Kolorierung der wertvollen Baumwollmantas
und der Töpferkunst. Diese Produkte bildeten den regen Tauschhandel mit
den Muisca, die gegen Gold und Silber eingetauscht wurden“ (Sebra, S.
202). Innerhalb von drei (!) Jahren nach Ankunft der Spanier war die
indigene Bevölkerung dieser Gegend von 100.000 auf 13.000 (sic!)
dezimiert - sie hatte das ... große Pech in einem Land mit größeren,
leicht zu fördernden Goldvorkommen zu leben … (ebd.).
Im
Örtchen erinnert eine kleine Abteilung im „Heimatmuseum“ an die
„Ureinwohner“ …
(Fotos von der
Wanderung)
(Info zum
Camino de Lenguerke,
spanisch)
(... und
es gibt
mehr zu sehen in Santander
...)
Auf
eher revolutionären Pfaden …
…
wandelten die Protagonisten des „Monuments der santanderischen
Unabhängigkeit“, das
einen
Hügel im Naturpark von
Chicamocha
dominiert. Dem
Aufstand der Comuneros
inmitten einer höchst imposanten Landschaft ein Denkmal zu setzen, zeugt
von der Bedeutung, welche die Kolumbianer dem Unabhängigkeitsstreben
von der Krone noch heute beimessen.
Auf
unserem Weg zum
Themenpark
zwängt sich der Bus durch die engen Gassen von Aratoca, in denen
an diesem Sonntag der Carneval Real so ausgelassen
zelebriert wird, dass auf der Rücktour nur noch die alkohol-resistenten
Bewohner durch den Ort wandeln.
Die Einblicke in das
tief eingeschnittene Tal des
Rio Chicamocha
sind grandios und die Fahrt mit der Seilbahn über den Schlund des
beeindruckenden Cañons lohnen die etwas längere Anreise. Wenn schon
nicht Ski fahren in Bormio, dann wenigstens Eiergondeln in Kolumbien …
(Fotos aus
Aratoca und aus dem Themenpark).jpg)
Weitaus
weniger spektakulär, doch durchaus beachtlich stürzen die
Cascadas Juan Curi einige Kilometer südlich von
San Gil 180m in die Tiefe. Eine Busladung aufgedreht
freundlicher kolumbianischer SeniorInnen, die buchstäblich keinerlei
Berührungsängste mit Gleichaltrigen aus Europa zeigen, trägt erheblich
zu einem gelungenen Ausflug bei ...
(Fotos vom
Wasserfall)
Wieder voll auf der Höhe …
…
nach unserem Tiefpunkt geografischen Hintergrunds: Barichara liegt auf
gut 1.300m, in
Sogamoso
bewegen wir uns auf über 2.500m Höhe. Die zweitgrößte Stadt des
Departamentos Boya-ca verdankt ihren Namen der spanischen Verballhornung
der Anrede eines Kaziken: Sugamuxi - in der Sprache der Chibcha
„Opfer der Sonne“. An seinem Sitz erschien den Muisca
Bochica,
ihre höchste Gottheit. Noch heute nennt sich die Stadt im Untertitel „…
del Sol“. Der von den Konquistadoren aus Frust über „entgangene Gold-
und Smaragdfreuden“ niedergebrannte Sonnentempel ist als maßstabsgetreue
Replik wieder aufgebaut – und strahlt gerade in seinem Innenraum
deutlich alles andere aus denn Disneyflair. Keine Sorge, Ihr Lieben,
Willi bleibt Agnostiker …
(Fotos vom
Templo del Sol)
Gleich um die Ecke im Ortsteil Mochacá zieht sich eine Art
„Weihnachtsmarkt“ an einem Bach entlang – neben spärlichen christlichen
Symbolen zieren klassische prähispanische Motive und Götterbilder als
abendliche Beleuchtung das Ensemble. Und auch auf dem zentralen Platz
verehren in Bronze gegossene Ureinwohner unmittelbar vor der Kirche die
Sonne als Erhalter des Lebens … Kathedrale wie Kapellen erstrahlen
keineswegs in dem Lichterglanz, in welchen Sakralbauten in Villa de Leyva oder Barichara getaucht sind – kommunale Sparsamkeit oder mentale
Distanz?
(Fotos
aus der Stadt …)
Auch
nach einigen Tagen am Ort werden wir den Eindruck nicht los, dass dieses
Handels- und Industriestädtchen und seine Einwohner nicht gerade mit
Reichtümern gesegnet sind. Bis auf ganz wenige Ausnahmen schmücken
Billigwaren die Auslagen und selbst in der Fußgängerzone sind kaum
„Markenläden“ vertreten. Die „minutos“ werden für 100 Pesos
verschleudert und den „tinto“ gibt’s auf der Straße für 250. Himmel und
Menschen treffen sich auf der Plaza, doch steht kein Bier neben einer
der Bänke – an den etwas kühleren Temperaturen allein wird es nicht
liegen …
(… und von
Menschen am Platz)
Diese ereilen uns am „Meer von Boyaca“, dem einstigen Erholungsort der
Götter. Heute genießen Hochzeitler und gewöhnliche lokale Touristen vor
allem den weißen Sandstrand der Playa Blanca am
Lago de Tota.
Kälteunempfindliche baden in dem grünen Wasser - wir begnügen uns mit
einem langen Blick über den weiten See und einem kühlen Bier am Ufer,
rufen dazu Erinnerungen an wohl temperierte Momente in der Karibik auf –
erinnert Ihr Euch noch an Tobago, Angela und Siggi?
(Fotos vom
Lago de Tota)
(Colombia Travel zum
Lago de Tota).jpg)
So
fruchtbar und gut bewässert das Land in der Hochebene um Sogamoso auch
scheint, es wird fast ausnahmslos als Viehweide genutzt. Erst die Ufer
des Sees auf gut 3.000m Höhe sind gesäumt von Zwiebelfeldern,
Erbsenbeeten und Kartoffeläckern. Den Menschen, die sich von dem
ernähren, was der Boden hergibt, sieht man die schwere Arbeit und das
harte Leben deutlich an, auch wenn sie sich in Aquitania beim
Schauspiel unter freiem Himmel durchaus amüsieren können …
(Menschen in
Aquitania)
Ein
wenig verhalten amüsieren sich auch die leicht betagten Einwohner (Ü 65)
des reizenden Kolonialdorfes Monguí, die sich auf der Plaza vor
der (mal wieder) überdimensionierten Basilika versammeln, um ihre von
der Gemeindeverwaltung gesponserten Weihnachtsgeschenke
entgegenzunehmen. Geduldig hören sie sich das Verlesen der Namensliste
an, horchen auf, ob ihr
Ortsteil
an der Reihe ist und setzen ihren Schwatz fort, wenn das Christkind noch
ein wenig auf sich warten lässt.
(Warten aufs
Christkind)
Wir,
die einzigen nicht kolumbianischen Fremden auf weiter Flur, scheinen
nicht weiter zu stören. Man nimmt uns wahr, grüßt freundlich und geht
seiner Wege - bis uns der Tourismusbeauftragte der Kommune unter seine
Fittiche nimmt und uns durch die Straßen führt. Die sind ebenso wie die
Gehwege mit Ziegelsteinen gepflastert, welche bis vor einigen Jahren
noch im Ort selbst gebrannt wurden. Eine "große Fabrik" in Sogamoso hat
die Produktion übernommen. Die großzügig angelegte Plaza wirkt mit ihren
zweistöckigen, weißgetünchten Häusern angenehm geschlossen. Keine Bank
hat sich hier mit einer Bausünde verewigt. Die roten Ziegeldächer und
die grün gestrichenen Türen und Fensterläden setzen sich auch in den
Seitenstraßen fort. Kleine Holzschnitzereien, Andenken- und
Töpferlädchen zeugen neben den zahlreichen Cafés und Restaurants für
einen er- wie einträglichen lokalen Tourismus. Eine "wichtige
Einkommensquelle" seien die zahlreichen Werkstätten, in denen vom
Fußball bis zum Rugbyei viel Ballförmiges produziert wird - und prompt
landen wir in einer recht überschaubaren Butze, in denen uns geduldig
der Werdegang vom Latexüberzug chinesischer "Importblasen" bis zum
fertig genähten (oder auch vulkanisierten) Sportgerät erklärt wird. Bis
in die Regionalligen schafften es ihre Produkte, schmunzelt der Chef des
Familienbetriebs ...
Mit
unserem Guide schlendern wir noch zur Puente Real, Zeugnis der
Resteverwertung kirchlichen Baumaterials aus dem frühen achtzehnten
Jahrhundert, bevor wir selbständig das Treiben im Dorf erforschen ...
(Eindrücke vom
Stadtrundgang).jpg)
Den
sonntäglichen Viehmarkt heben wir uns bis zum Schluss auf. Gegen Mittag
haben sich stolze Besitzer von Schafen und Rindviechern nebst ihren
Vierbeinern und Kaufinteressenten eingefunden und begutachten die
jeweiligen Objekte ihrer Begierde. Die meisten Händler scheinen sich zu
kennen, was den Handel nicht unbedingt einfacher gestaltet. Oft ist ein
Bier vonnöten, damit das Zwischenangebot besser flutscht, mitunter
trägt selbst ein handgefertigtes Joghurteis nicht dazu bei, einer
Bauersmaid ihren Hammel für "einen guten Preis" abzuschwatzen. Am frühen
Nachmittag bescheinigen die gefüllten Kneipen um das Areal einen
durchaus erfolgreichen Sonntagsmarkt, von dem auch wir uns in Richtung
"graue Stadt" verabschieden.
(Fotos vom
Viehmarkt)
Schon wieder nix …
…
mit
Montserrat:
So einladend uns das Wetter am Nachmittag des Heiligabend auch empfing,
so aprilhaft ziert es sich am ersten Weihnachtstag. Im katholischen
Bayern haben wenigstens die Wirtshäuser spätestens nach dem Feierlichen
Hochamt geöffnet, damit man(n) die Anregungen aus der Predigt besser
verarbeiten kann; hier bleiben neben den Drogerien und Supermärkten
selbst die Vierundzwanzigstundenkaschemmen geschlossen. Außer uns treibt
es nur einige Sicherheitskräfte in den Nieselregen (so viel zu Euren
relativierten Wünschen bzgl. „Schmuddelwetter“, liebe Sachsen). Erst
gegen Mittag öffnet das Café im
Centro Cultural Gabriel García
Marquéz und verwöhnt uns nebst manch anderen Touristen und einheimischen
Connaisseuren mit einem „richtigen Espresso“. Der Hausberg bleibt wie so
mancher übrig gebliebene Heiligabendfeierer ein wenig be-/vernebelt.
Der
Regen bringt auch die Verlierer der Gentrifizierung deutlicher zum
Vorschein: Unter all den Erkern, Balkonen, vorspringenden Dächern suchen
sie ein wenig Schutz – und es sind ihrer viele, die nun in den spärlich
bevölkerten Straßen auffallen, während sie in der Menschenmenge sonniger
Alltage untergehen …
Dem am
zweiten Weihnachtstag Dienst gehabt habenden Wettergott sei
hiermit digitale Abbitte
geleistet ...
Vier
Wochen Höhentraining …
…
reichen dicke – schließlich wollen wir keine persönlichen Bestzeiten
einstellen, und unsere Epowerte sollen moderat bleiben.
Auch
haben wir mittlerweile genug der Eindrücke an andiner
Voralpenlandschaft, hübsch herausgeputzten „typischen Kolonialdörfern“
sowie mitteleuropäischen Einflüssen gesammelt. Der fließende Übergang
von Europa zu „nicht mehr ganz so viel Europa“ erleichterte uns das
Eingewöhnen, doch darf es ab nun um die ein oder andere Prise exotischer
werden …
Waren wir im vergangenen Jahr auf Anhieb von den Birmesen mit ihrer sehr
offenen Art, ihrer unbedarften Neugier und ihrer Herzlichkeit angetan,
so tun wir uns ein wenig schwer, zu den zwar freundlichen, doch ziemlich
zurückgenommenen und offensichtlich nicht so sehr an „Außenkontakten“
interessierten Einheimischen dieser Region den rechten Zugang zu finden.
Doch
sind wir ja noch eine Weile im Lande – und in anderen Landstrichen …
(Kartenüberblick zum
ersten Teil unserer Reise)
Paradies geht anders, …
…
doch 1. sind wir dazu möglicherweise (noch) nicht reif genug
2. wollten wir schon
immer mal hin, wo was los ist –
und
dort sind wir nach einem guten Morgenkaffee bei der örtlichen OMA in
der 19. und einem unspektakulären Flug über den weitgehend mit Wolken
zugedeckten Dschungel der Departamentos Caqueta und
Amazonas
sanft gelandet – im Regen, nach dem zweiten Anflugversuch (Miami lässt
grüßen, Angela) …
Das
nach dem ersten (abendlichen) Eindruck Allerweltsgrenzbums
Leticia
entpuppt sich nach einer Nacht, in welcher eimerweise Niederschläge
fürs satte Grün nicht nur in den Vorgärten sorgen, als ausgesprochen
quirliges Hauptstädtchen am äußersten Zipfel des „Trapecio
Amazonico“
im kolumbianischen Amazonasgebiet, in dem das Leben deutlich früher
beginnt als in Bogotá. Und mit den Hühnern gehen die Menschen hier in
diesem Urwaldort auch nicht gerade schlafen – die Moskitos werden um
diese Zeit erst richtig wach ...
Im
Grenzort des Dreiländerecks reihen sich auch in den Nebenstraßen
Restaurants neben Bars, unterbrochen von Tante Emma Läden, in denen es
ebenso wie in den benachbarten Supermärkten nichts gibt, was es nicht
gibt; na gut, Schlittschuhe dürfte mensch hier vergebens suchen –
so oft friert der Amazonas nicht zu. Was in den Geschäften nicht zu
finden ist, lässt sich im Marktbereich hinter der Reihe aus Obstständen,
an denen auch Holzkohle verkauft wird (kommt schließlich auch von
Bäumen), aufstöbern.
Ruhestätten, an denen alles herrscht, außer Ruhe, verschaffen uns mehr
oder minder besinnliche Minuten bei dem ein oder anderen Bier – der
Kaffee ist hier ebenso wenig zu genießen wie sein Bruder Tinto in den
Panaderias der Hauptstadt, und seine Farbvariationen entsprechen denen
der Gesichter, denen wir begegnen: Auf dieser Insel im Nirgendwo des
Regenwaldes sind jede Menge Menschen aus allen Ecken Kolumbiens, Perus
und Brasiliens gelandet und viele andere von noch weiter her gestrandet.
Also
begegnet man uns mit der entsprechenden Selbstverständlichkeit:
unaufdringlich, freundlich, hilfsbereit, wenn wir nach dem Weg oder
sonst was fragen. Niemand kümmert sich besonders um den Anderen, es sei
denn, er wird gezielt angesprochen – leben und leben lassen lautet
einmal
mehr die Devise. Und weil hier die Freizügigkeit des Grenzübertritts
praktiziert werden muss, weil Kontrollen im unüber-sichtlichen
Uferbereich eh nicht praktikabel wären, läuft auch das formale Leben
deutlich lockerer ab.
Gefahr, so empfinden wir, geht im Alltagsleben allenfalls vom
Straßenverkehr aus. Lokale Mopeddichte und unorthodoxe Fahrweise ähneln
der Situation in Hanoi vor knapp zehn Jahren – und auch die haben wir unbeschadet überstanden …
Was
uns im Dschungel auflauert, werden wir morgen erfahren – schließlich
suchen wir ein wenig Abenteuer ...
(ColombiaTravel zum
Amazonasgebiet)
(erste
Eindrücke von Leticia)
Noch
lachen uns Abenteuer…
…
und Sonne an, als wir uns gut zehn Minuten „landeinwärts“ von „km 11“
aus dem Landrover
schälen: Drei deutsche Ladies und ein Tica, welche das
Durchschnittsalter unserer Wandergruppe auf „Rente schier aussichtslos“
senken, erfahren mit uns bereits auf den ersten Metern, warum
Gummistiefel die einzig probate Fußbekleidung für die bevorstehende
Unternehmung sind - Stelzen wären u.U. eine mögliche Alternative.
Ganz
ungestelzt brieft uns Cristóbal behutsam, nicht im allgemein üblichen
Maschinengewehrspanisch – und wir finden in Kiefah einen
perfekten Übersetzer, der selbst humoristische Einlagen hervorragend
herüber bringt. Unser „local guide“, ein
Yucuna,
legt uns die Welt in der Sichtweise der „Indígenas“ dar, die stammes-
und volksübergreifend Gültigkeit habe, was „madre terra“ ebenso wie die
Unterwelt und die ebenso jenseitige Welt „über uns“ – weit entfernt vom
christlichen Himmelsbild – betrifft.
(Unser) Wirkliches Leben ereilt uns bereits nach den ersten Metern in
rutschigen Schlammlöchern, für die zumindest der Regen der vergangenen
Nacht verantwortlich zeichnet. Glücklich, wer dichte Stiefel an
beiden Füßen weiß, oder, Rebecca? Vermutlich ohne besonders geschult
(worden) zu sein, betrachtet unser Pfadfinder die Welt wie sie ist –
ganzheitlich … So erschöpft sich die „Funktion“ (westliche Sichtweise)
einer dem Kakao verwandten Pflanze keineswegs darin, das Grundprodukt
der hiesigen „chocolata“ zu sein – sie beglückt auch den Geschmack der
Götter …
Spätestens
am nächsten Wassergraben (Ihr Seekirch’ner habt die Tour vor der
Regenzeit unternommen, Ihr Glücklichen) wünschen wir uns die
göttliche Fähigkeit zu schweben – zum Glück wippt der Baumstamm mit „Brückenfunktion“
nicht nach, haben unsere Botten ein rutschfestes Profil und stehen die
(für uns Touris) ins Bachbett eingerammten Stecken allenfalls zwei frei
schwebend zu absolvierende Querschritte entfernt auseinander – gerade
richtig zum Eingewöhnen …
Neben den Untiefen, denen unsere „rubber boots“ gerade noch gewachsen
sind, gibt es Stellen, an denen uns das Wasser so hoch am Körper steht,
dass sich „Barsch“ darauf reimt. Doch wir haben ja nach gut vier Wochen
Voralpenland das Abenteuer gesucht – und das ist hier nun nicht mal
staubtrocken … (Grüße an den Riesling aus dem
Calmont).
Nach
schweißtreibenden Passagen – mal wippt der Baumstamm doch über dem
Rinnsal,
welches breit ist wie die Drosselgass, dafür (fast) so tief wie der
Laacher See,
mal stehen die „stakes“ paar Handbreit zu weit auseinander, mal fehlen
Fingerlängen bis zur ausgestreckten Hand – ertapern wir schließlich
eine Maloca der Yucuna.
Die
Hüterin des „Hauses“, eine Huitoto, empfängt uns freundlich, ihr
Nachwuchs auch – alles völlig unaufgeregt, selbstverständlich. Es gab
bereits hinreichend „Fremde“ vor uns und es gehört zur Tradition der
hier ansässigen Indígenas, allen Besuchern ein Dach über dem Kopf
anzubieten, auch wenn es noch nicht ganz fertig ist. Der Rundbau,
welcher bereits als „Rohbau“ als Gemeinschaftshaus dient, beeindruckt ob
Größe und Bauweise: Hier halten allenfalls Zinken und Knoten, jedoch
keine Zapfen oder Holznägel die Konstruktion zusammen – erdbebensicher.
Einzig Termiten und/oder der Zahn der Zeit nagen erfolgreich am „Großen
Haus“ …
Just
als die Hausherrin uns erklärt, dass für (menschliche) Fruchtbarkeit
die Männer zuständig seien und uns „unterstützende Mittel“ vorführt,
kehrt ihr Angetrauter, ein Yucuna, zurück, nimmt auf seinem
Kazikenschemel Platz und bietet uns einen Löffel
Mambe
an – jene Mischung aus Kokablättern und alkaloidhaltiger Tabakasche,
die den Kontakt zu den Geistern herstellen soll. Seinem und dem Konsum
Cristóbals nach zu urteilen, muss der Kontakt hervorragend werden …
Das
„einzige Problem“, welches das Zusammenleben mit (s)einer Frau aus
einem anderen Stamm birgt: Beide können sich nicht in ihrer
Muttersprache unterhalten, sondern auf Spanisch. Entsprechend wachsen
ihre vier Kinder dreisprachig auf. Anders als in Peru sprechen hier auch
"die Alten" das Idiom der Eroberer …
Nachdem wer auch immer eimerweise Wasser vom Himmel geschüttet hat,
setzen wir unsere Schlammtour im starken Niesel fort. Wären die
Fotoapparate nicht, wir würden so manche Flut lieber durchschwimmen als
sie auf nun rutschigen Stämmen zu überqueren.
Nach
knapp zwei weiteren Stunden erreichen wir pitschenass eine etwas größere
Siedlung der
Huitoto
und trocknen uns in deren achteckiger Maloca. Ein wenig Ruhe und ein
kräftiges Mahl tun ausgesprochen gut. Vorher wird uns Tupperware mit
Kontaktstaub angeboten – wir lehnen dankend ab..jpg)
Leicht regeneriert verfolgen wir die Zubereitung der Mambe. Ein in sich
ruhender, stark bewusstseinseweiterter Bewohner mörsert das grüne
Gemisch und kostet immer mal wieder davon. Später, im Kreis zweier
Alter, einer ist der „abuelo de los abuelos“, der weithin anerkannte
Oberchef, wird es als ausgezeichnet befunden. Gute Qualität sei wichtig
für guten Kontakt zu den Geistern. Meditationsfördernd und der
Wahrheitsfindung dienlich seien auch
Ambil,
eine schwarze, bittere Tabakpaste und
Rape,
ein dem Schnupftabak ähnlicher Staub, der, von einem Mitgenießer durch
ein Röhrchen in die Nase gepustet, für frischen Wind im Hirn sorgt.
Uns
wird defätistisch klar, dass die Menschen, die derart einfach leben,
auch wenn das Mobiltelefon in ihrem Beutel häufig klingelt oder eine
Chipstüte den Weg ins Große Haus gefunden hat, einfach ständiger
Dröhnung bedürfen, um ihrem Alltag etwas abgewinnen zu können – genau,
politisch unkorrekte und überhebliche westliche Sichtweise.
Richtige Töpfe, gemütliche Hocker, trockene Sachen wohl sortiert im
Kleiderschrank, ein weiches Bett nur für uns und ein gekühltes Bier
finden wir nach weiteren anderthalb Stunden Schlammschlacht im
abgasreichen, lärmigen, fast schrillen Leticia – und genieeeeßßen ...
mit unserer Art von Dröhnung, die gegen Malaria und Diarrhö angezeigt ist
und auch die (bösen) Geister fern hält.
(Fotos vom
Tagesausflug zu den Malocas)
(Liste
südamerikanischer indigener Völker)
Amazonien ohne Regen…
…
sei nicht Amazonien, zumindest nicht jetzt um diese (Regen-) Zeit, hat
uns „George of the Jungle“ gebrieft, dem wir nach unserer Ankunft am
Flughafen unabgesprochen in die Arme gelaufen sind und der im
vergangenen Jahr die Seekirch’ner durchs Dickicht geführt hat.
’Wir
werden es erleben’ denken wir uns nach einer arg durchregneten Nacht als
wir durch den Uferschlamm in den motorisierten Nachen, die „LUIYJP“,
waten, der für die kommenden vier Tage unser Transportmittel sein wird.
Mit von der Partie sind zwei junge Chinesen, die in Bogotá arbeiten und
sich während des gemeinsamen Dschungelabenteuers rührend um uns Alte
bemühen werden.
Alesandro,
unser Skipper, bunkert an einer „Tankstelle“ auf der peruanischen Seite
bevor er uns zum Landgang in
Santa Rosa
entlässt: Paar Formalitäten seien zu klären und Gummistiefel in meiner
(bescheidenen) Größe aufzutreiben – die letzte Nummer hatten wir schon
mal.
Der
peruanische Grenzort zieht sich wie ein Straßendorf am Hauptstrom des
Amazonas
entlang, besteht vornehmlich aus Kneipen, welche mit Pisco Sour
werben, billigen Unterkünften und Wechselstuben, in denen alles gegen
alles getauscht wird. Vielleicht fehlt einfach nur der Sonnenschein, um
andere Assoziationen zu wecken als jene, für die
B. Traven
nicht nur in seinem „Totenschiff“ die Vorlage liefert; vielleicht ist
unser Aussteigergen verkümmert, vielleicht sind wir auch einfach nur zu
„westernized“ …
Wir schütteln den
Schlamm von den Füßen und schippern eine gute Stunde stromaufwärts,
bevor wir nach Westen in einen Kanal biegen, dessen Ufer hohe Bäumen
und dichtes Unterholz säumen. Diese „Nebenstraße“ wartet mit Faultieren
auf, die (wie der Name bereits andeutet)
nicht gerade hyperaktiv im Geäst hängen, mit rostbraun gefiederten
Adlern, leicht angeschmuddelten weißen Reihern und Spechten, die sich
an noch nicht ganz morschen Stämmen abarbeiten. Nach einer halben Stunde
im Schwarzwasser landen wir an den Gestaden vor einer Siedlung der
Tikuna.
Gamboa
heißt uns nicht nur an der Eingangstür unseres Domizils willkommen. Dass
hier häufig „Weiße“ anlanden, machen die Reaktionen der Kinder deutlich:
Die scheren sich einen feuchten Regen um uns und setzen ihren Weg zum
Fußballspiel ihrer großen Brüder schnurstracks fort. Unser
„Herbergsvater“ hingegen begrüßt uns herzlich mit den Worten, die wir in
Kolumbien nicht zum ersten Mal hören „Mein Haus sei Euer Haus“.
(Fotos von der
Anfahrt nach Gamboa)
Er
führt uns auch durchs Unterholz auf dem gegenüber liegenden Ufer und
fällt den Baum, in
dem
ein Faultier auf die kommende Nacht wartet – damit wir es „besser sehen
und fotografieren können“. "Soft Tourism" haben wir uns ein wenig
anders vorgestellt, nachhaltig bleibt die Aktion allemal …
Nachdem wir einen weiteren Adler und die Äffchen, auf die er es
abgesehen hatte, nachhaltig gestört und den örtlichen Moskitos reichlich
frisches Blut geliefert haben, kehren wir zurück in unsere Tienda,
welche auch die lokalen Biertrinker (und uns) mit Gekühltem aus der Dose
versorgt.
(Fotos vom
Ausflug zum anderen Ufer)
Während des Mittagsessens stößt eine Dreiergruppe Engländer zu uns, die
sich als alkoholische Selbstversorger outen – sie beziehen das „Loft“
über uns …
Am
späten Nachmittag brechen wir mit George zum bird watching auf. Dichtes
Blattwerk bedeckt den Kanal, lässt unser Triebwerk oft aufjaulen,
bietet Watvögeln eine stabile Grundlage und einer wunderschön
rot-schwarz gezeichneten Schlange ein stabiles Ausrollgebiet. Auf dem
Rückweg fressen sich Welle und Propeller gleich mehrmals fest. Wohl dem,
der eine Machete sein Eigen nennt …
(Fotos
von der Ausfahrt).jpg)
(...
und der
Regenzeit
...)
Nach
dem Abendessen lassen wir die Hängematten und die Moskitonetze in
unserem Schlafraum aufspannen und ahnen, dass wir in einer Kneipe
„ruhen“ werden, knapp fünf Schritt vom Tresen entfernt. Um dem Regen und
den Stechmücken zu entgehen, verholen wir uns in die Horizontale und
werden Zeugen abendlicher Einkäufe: von Haushaltswaren über Kekse und
Zigaretten bis zum Schluck Bier an der Theke. Dazu manch lauter Plausch,
ausgedehntes Gelächter und weibliches Gekicher – an uns scheint sich
niemand zu stören ...
Gegen 22:00 Uhr macht der Hausherr Klar Schiff und stoppt den Generator.
Unsere Engländer funktionieren netzunabhängig und lautstark für eine ganze Weile. Kaum verfallen sie in vernehmliches Schnarchen, öffnen
sich die Schleusen des Himmels und wässern durch offene Fensterhöhlen
und breite Spalten zwischen den Wandbrettern meinen Schlafplatz. Bevor
mir Schwimmhäute wachsen, gewährt mir Barbara in ihrer Hängematte
niederschlagsbedingtes Asyl. Ist ja auch ausgesprochen sozial, doch
wenig Schlaf fördernd.
Und
im verschwitzten Wachzustand, klebrig von der Mischung aus Sonnencreme
und vom von den Plagegeistern wenig respektierten Mücken“schutz“, ein Odeur
ausströmend, an dem ich mich selbst nicht erkennen könnte, einen
kräftigen, heißen Duschstrahl und eine altersgerechte Matratze oder
wenigstens ein wenig mehr Raum für mich vermissend, reift die
Erkenntnis, dass ich wohl wirklich zu westernized bin. Ob die Schweiz
das Richtige wäre, wo mich die Voralpenlandschaft der vergangenen
Wochen schon ein wenig angeödet hat? Vielleicht ist es ja auch nur das
Alter. Mal sehen, was sich morgen dagegen machen lässt …
Der
Sonnenschein…
…
ist es nicht, der uns nach einer tendenziell schlafarmen, doch wenig
romantischen Nacht
unterm
löchrigen Moskitonetz aufheitert; auch nicht das lauwarme Gebräu,
welches
Out of Rosenheim
unter „brown water“ firmiert und hierzulande als „tinto“
die Geschmacksnerven beleidigt. Die Aussicht auf „an exciting tour
across the jungle, pink dolphins and black caimans“ sowie die Hoffnung
auf eine etwas weniger primitive Unterkunft, eine mit „richtigem Klo“
(statt Abkackplatz zwischen den Kürbissen) und vielleicht einer Art
Dusche lässt uns geduldig auf ein Nachlassen des Tropenregens warten.
Und
der lässt nach – nach vielen Stunden. Irgendwann wirken auch die
Holzschnittbäume am anderen Ufer im sanften Dunst nicht mehr gar so
mystisch. Also ab ins Boot und los in die Wasserpflanzen. Der
Propeller, der gestern einen Flügel lassen musste, ist ausgetauscht, die
Welle geölt, und ein Paddel für alle Fälle liegt auch bereit.
Wir biegen in einen
schmalen, teils vom Unterholz überwucherten Kanal. Die Machete schafft
Tunnel wo (noch)
keine sind. Mitunter erschließt sich auch eine auf den ersten Blick
nicht auszumachende Öffnung, gerade breit genug, um unseren Kahn
hindurch zu zwängen – Carpentiers „Explosion
in der Kathedrale“
lässt grüßen. An anderen Stellen versperren abgebrochene Äste oder
umgestürzte Bäume die Fahrrinne. Guide und Skipper schlagen uns durch
die grüne Wand. Hin und wieder müssen wir den Nachen über Untiefen hieven. Die Faultiere sind zu bequem, um sich ernsthaft stören zu
lassen, Adler und
Macaws
nehmen allerdings Reißaus. Nach gut vier Stunden Camel Trophy
stoßen wir auf einen Zufluss des
Yavari
und erreichen wenig später
Sacambu,
unser „Dorf“ für die verbleibenden Nächte.
(Fotos
aus dem Dickicht)
In
unserem Hostal ist nicht nur gekühltes Bier zu erwerben, wir treffen
auch auf einen Lokus mit Brille, Klopapier und Wasserspülung sowie auf
eine Dusche, deren Strahl Sonnenöl wie Moskitorepellent von der Haut
pellt – so werden wir nicht sauber, wir werden rein. Und eine
abgetrennte Schlafbuchte mit richtigem Bett und intaktem Fliegennetz
gibt’s obendrein. Zum Jahresende stimmen die „Kleinen Dinge“ wieder, bis
auf den „Kaffee“ …
(unsere
neue Umgebung)
Etwa zu der Zeit, da
Ihr Euch „Dinner for One“ anschaut, läuft bei uns der Film „Pink
Dolphins“.
Recht kompakte, gut zwei Meter lange Pakete atmen dicht neben dem Boot
hörbar ein und aus. Sie tauchen zu rasch ab, um sie aufs Foto zu bannen.
Ein Stück den Yavari aufwärts ziehen „Grey Dolphins“ ihre Bahn. Diese
sind deutlich schlanker als ihre schweinchenrosafarbenen Verwandten.
Für
die romantische Phase sorgt ein farbenprächtiger Sonnenuntergang. Die
Nacht bricht knapp
unter dem Äquator
rasch herein; Zeit um nach den
Black Caimans
Ausschau zu halten. Da sich die Tiere aus der Urzeit ob des hohen
Wasserstandes ins überflutete Unterholz zurückziehen, währt die Suche
lange, bevor wir die ersten gelblich schimmernden Augen im
Scheinwerferlicht ausmachen. Und die gehören zu Exemplaren, welche die
Nummer "ergriffen und vorgeführt" zu werden bereits kennen. Auf dem
Rückweg lässt sich dann doch noch ein unerfahrenes „Baby“ herab, von
George gefangen zu werden und durch unsere Hände zu wandern,
versöhnlicher Sylvesterabend also.
(statt
Dinner for One)
Noch
versöhnlicher gestaltet er sich auf dem Balkon unseres Anwesens, wo wir
auf unsere Wandergruppe von der Malocatour treffen. Erlebnisse und
Latein werden ausgetauscht, Erfahrungen eines costaricanischen
Palästinensers (Kiefah) verglichen mit denen von Berliner Lehrern mit
der gleichen dort ansässigen Bevölkerungsgruppe und schließlich von
guten Wünschen zum Neuen Jahr abgelöst.
Tja,
und die erste Nacht im Frohen Neuen beschert uns einen ungestörten
Schönheitsschlaf.
Bewusstseinserweitert…
…
sieht anders aus: Unser guide ist von wem oder was auch immer komplett
zugedröhnt, so dass wir uns der Wandertruppe anschließen, die mit ihrem
nüchternen Pfadfinder auf Angeltour fährt.
Piranhas
sollen es sein, die sich im ruhigen, braungelben Wasser in Ufernähe
aufhalten. Tun sie auch, wie wir an den angeknabberten Ködern und dem
einen oder anderen Ruck an der Schnur
bemerken. Doch sie beißen nicht an. So verbringen wir einen
unaufgeregten Vormittag in den Mangroven.
Am Nachmittag sorgt
Francisco, ein local guide, der für George einspringt, für Kurzweil: Wir
tuckern mit ihm eine Viertelstunde flussabwärts und brechen vom
Steilufer aus durchs Unterholz – zur Freude der peruanischen Moskitos,
die von kolumbianischem Antimückenzeugs aber auch gar nichts halten.
Nach einer Führung durch die lokale Apotheke mit leicht verständlichen
Ausführungen zu den verschiedenen Heilpflanzen und –bäumen stehen wir
schließlich an einem Teich, dessen Oberfläche Prachtexemplare der
Victoria Regia
bedecken. Eine Duschlänge vor dem nächsten tropischen Regenguss kehrt
das, was die Stechmücken von uns übrig gelassen haben, unters schützende
Dach zurück.
Die
abendlichen Plagegeister stören weniger als die warum auch immer
verhängte Biersperre. Was Wunder also, wenn wir beizeiten unser kingsize
bed aufsuchen …
(Eindrücke
vom Ausflug)
Unspektakulär…
…
verläuft die Rückkehr in die Zivilisation. Nach einem fast schon
herzlichen Abschied von
unseren
Gastgebern bewegen wir uns mit einem ernüchterten guide flussabwärts,
verlassen nach einer knappen Stunde den Hauptarm des Yavari, um durch
einen schmalen Kanal eine weite Schleife abzukürzen - Erinnerungen an
den Spreewald kommen auf; fehlen nur noch die Gurken.
Kurz
vor der Mündung in den Amazonas häufen sich zunächst die Sägewerke, von
denen einige ob des schwer zu kontrollierenden Einschlagsverbots
stillgelegt sind. Später kommen einige kleine Siedlungen hinzu.
Vom
Hauptstrom aus werfen wir noch einmal einen Blick auf Santa Rosa, bevor
wir in den Nebenarm tuckern, der geradewegs zu den Gestaden vor Leticia
führt.
Weder in unserer Eckkneipe am Hafen noch bei unserer Caipiriñadealerin
müssen wir nach Tagen der Abwesenheit unsere Getränkewünsche
verbalisieren – sie werden uns von den Augen abgelesen.
Und
in unserer neuen Bleibe stimmen die kleinen Dinge auch, bis auf den …
(Fotos
von der Rückfahrt)
Nach
Brasilien…
…
kommen wir nie mehr so billig – denken wir uns nach zwei Tagen
zivilisatorischen Ambientes
in Leticia (welche dicke reichen, um Fernweh zu entwickeln) und heuern
ein „motocar“ (so heißen hier die TukTuks), das uns für „zweifuffich“
ganz formlos über die Grenze zum Hafen bringt, der diese Bezeichnung
auch verdient.
Tabatinga
wirkt nahe der Kaimauer gewachsener, geschlossener als die kolumbianische
Schwesterstadt. Es ist nicht etwa leise hier – brasilianische Weisen
dröhnen aller Orten – doch locken sie nicht zur Geschäftseröffnung oder
preisen Sonderangebote, sondern geben die entspannte Grundstimmung der
Menschen wider. Die tanzen zwar nicht in den Straßen, doch sie wirken so,
als könnten sie jeden Augenblick damit loslegen …
Nicht, dass „die Kolumbianer“ nicht zu feiern verstünden – wir haben das
Gegenteil oft genug erlebt – doch scheinen sie einen Anlass zu brauchen.
Hier, einen Steinwurf weit entfernt, hat der Swing selbst die bunten
Sonnenschirme ergriffen, welche die darunter ansässigen Garküchen vorm
Himmelsgestirn wie vor Regen schützen.
Den
Sonnenuntergang genießen wir mit Blick über den Amazonas, ein großes
Bier vor uns auf dem Tisch.
Die
Rückfahrt nach Leticia erweist sich als etwas kostspieliger,
unterstützt jedoch die örtliche Frauenförderung: Leila und Cecilia
knattern uns auf ihren Mopeds locker über die Grenze.
(paar
Eindrücke aus Tabatinga)
Nicht aus Verzweiflung,…
…
sondern ganz bewusst lassen wir uns auf eine Deppentour ein, um „einen
Tag wie die Bogotános zu verbringen“.
Los
geht’s bei bedecktem Himmel.. Das Speedboat stoppt „genau auf dem
Grenzpunkt“ des Dreiländerecks, wo wir uns die Einführung ins
Amazonasgebiet anhören. Mit full speed landen wir zwanzig Minuten später
bei den Victoria Regia, welche hier in gartenpflegerisch
betreutem
Ambiente vor sich hinblühen.
(noch
paar Exemplare)
In
Puerto Alegro erwartet uns ein Empfangskomitee, das gezähmte
oder Menschen gegenüber gleichgültig eingestellte Vertreter der
örtlichen Fauna in den Armen hält: vom
Wickelbären
über Faultiere, Schildkröten bis hin zum Mohrenkaiman – die Armen … Die
zwei Jahre alte und knapp drei Meter lange
Anakonda
finden wir ein wenig versteckt in einem Planschbecken (nicht hingucken,
sondern drüber hinweg lesen, Angela).
(Fotos
von der Fauna)
Nach
der durchaus lehrreichen kleinen Tierschau düsen wir zum
folkloristischen Intermezzo nach Macedonia. Umgeben von
Andenkenständen mit (vermutlich) importiertem Schnitzwerk aus Asien
liegt eine riesige Tanzfläche unter dem Dach einer rechteckigen (…)
Maloca, welche genutzt wird, um für uns – und all die anderen Gäste aus
all den anderen Booten – einen der Ritualtänze der Tikuna aufzuführen.
So lobenswert es sein mag, die Ureinwohner bei der Verteilung des
Touristenkuchens einzubeziehen, in dieser Form hat es schon etwas
Verzweifeltes. Ganz anders als die Ausbildung Einheimischer zu
Tourguides: Unsere drei (!) Begleiter, Tikuna, machen einen wirklich
guten Job.
(paar
Eindrücke aus Macedonia)
Nach
einer Stippvisite in
Puerto Nariño,
einem autofreien, sehr aufgeräumten Ort, knapp 80 km von Leticia
entfernt, in dem zumindest im öffentlichen Raum Mülltrennung à la Suiza
konsequent
praktiziert wird, kreisen wir auf dem
Lago Tarapoto.
Amazonasdelphine sehen wir leider keine. Vom
lauten Außenborder pausieren wir zum Mittagessen in einer EcoLodge,
köstlich unterhalten von zwei Macaws, die aus ihrem Umgang mit
Zweibeinern (und umgekehrt) eine Menge gelernt haben.
Für
noch mehr Spaß sorgt eine Horde
Totenkopfäffchen
auf der
Isla de los Micos.
Unbedarft springen die Kletterkünstler von Schulter zu Schulter,
sichtlich bemüht bei der Verteilung von Bananen und Keksen ja nicht zu
kurz zu kommen. Als die ihnen nicht mehr so recht schmecken, verlassen
wir die beschlagnahmte Insel eines festgesetzten Drogenbarons und
genießen eine halbe Stunde später in unserer Hafenkneipe legale
Rausch-mittel – tut auch ganz gut …
(Affen(un)artiges)
Winter in Bogotá …
…
auch ohne Weihnachtsdeko oder Schnee.
Nachdem wir den Regen bis auf ein paar Tropfen auf der Südhalbkugel
zurückgelassen haben, hätten wir uns über Temperaturen wie in Leticia
wohlig gefreut. Doch von wegen, zurück in der nördlichen Hemisphäre müssen wir nicht einmal das
Bier in den Kühlschrank stellen. Höchste Zeit also für trockene Wärme,
darf auch ein wenig Hitze dabei sein. Also nix wie weg in die Wüste …
Per
Boot in die Wüste, …
…
jedenfalls fast – ist auch in Kolumbien möglich.
Nachdem sich unsere Mediumversion eines Überlandbusses reichlich eine
Stunde lang mehr stop als go durch die Hauptstadt quält, bestimmen die
Serpentinen bergauf zur letzten Crête der
Ostkordillieren
die Reisegeschwindigkeit. Bergab verlassen wir nach Soacha die
Neuauflage der Voralpenlandschaft und tauchen bei Fusagasuga in die
Tropen.
Ab
hier heizt unser Coach Captain als gelte es, den vergangenen Tag
einzuholen. Im sich nach Süden zu weit öffnenden Tal des Rio Madalena
lösen dann Mais-, Reis- und Zuckerrohrfelder die ausgedehnten Viehweiden
mehr und mehr ab.
Als
wir in
Aipe
unser „Taxi Verde“ verlassen, lacht die Sonne bei Temperaturen kurz vor
Wüste. Zwei Motojungs karren uns und die Rucksäcke durchs Dorf zur der
Stelle, an der bei Hochwasser das Ufer liegt. Weil wir die drei Monate
nicht warten wollen, asten wir mit Gepäck über eine leicht
renovierungsbedürftige Fußgängerbrücke, schieben auf einer Weide ein
paar Rinder zur Seite und gelangen schließlich ans tagesaktuelle Ufer
des
Río Magdalena.
Hier
warten bereits einheimische Fremde auf „die Fähre“. Angeblich sei der
Skipper beim Mittagessen. Als nach gebührendem Warten kein Boot in Sicht
kommt, darf ich es mit der Signalpfeife locken – doch ein Kahn ist
kein Hund. Zwei Einheimische verraten die Mobilfonnummer, die Bogotános
rufen an – und einige Minuten später kommen Nachen und Maschinist in
Sicht.
Mit
wenig Freibord treiben wir an die Gestade von Villavieja, lassen uns mit
den anderen Touristen im Motocar ins Ortszentrum kutschieren und sind
von unserer Unterkunft nicht gerade angetan. Klein, drückend, dunkel –
na ja, warm haben wollten wir es ja, doch gleich soooo warm …
Villavieja,
so klein das Dorf auch sein mag, es lebt – mit Einbruch der Dämmerung. Dann
füllen sich die Straßen, setzen sich die Menschen vor die Türen,
floriert das Geschäft der Tiendas, sind nach und nach sämtliche Tische
vor den Bars, Cafés und Restaurants besetzt. Touristen treffen wir
weniger als eine Handvoll.
(unsere
dritte Etappe auf der Karte)
Grün
ist die Wüste …
…
zum großen Teil jedenfalls.
Nach
einem schnellen Frühstück „auf die Hand“ im Zentralpark tuckern wir im
Motocar von gestern Richtung
Tatacoa.
Kaum aus dem Ort, finden wir Kakteenhaine mitten in Viehweiden,
Galeriewälder säumen die Bachläufe und Erinnerungen an Namibia
werden wach..jpg)
Noch
vor dem Hügel, auf welchem sich das Observatorio de Tatacoa erhebt,
beginnt das eigentliche Trockengebiet aus stark welligem Sediment.
Überall durchziehen Risse, Gräben und Kanäle die Landschaft, die sich im
frühen Licht der Sonne und in ihrem Schattenspiel von Tiefrot über Ocker
bis ins Orange färbt. Der seltene Regen und häufiger Wind haben bizarre
Formen in das weiche Erdreich gearbeitet. Mittendrin im Labyrinth
leuchtet Grün in allen Tönen und Schattierungen. Obwohl wir in einem
ungewöhnlich ariden Gebiet Kolumbiens wandeln, gedeihen hier noch kurz
vor Ende der Trockenzeit nicht nur Kakteen.
Ein
leichter Flaum aus Gras, den Ziegen und Rinder zu schätzen wissen, liegt
über dem Gelände, welches sich hinter El Cuzco erstreckt. Nach
einem Stück Mondlandschaft (La Venta), in der die
roten,
eisenhaltigen Sedimente in weiß bis hellgraue Staubdünen übergehen,
steigen wir in eine der sich windenden, immer tiefer eingeschnittenen,
skurrilen Schluchten der Los Hoyos – und stehen schließlich vor
einem gefassten Pool, in dem sich unsere Bogotános dann auch heftig
amüsieren.
Derart von natürlichen Kulissen verwöhnt, begeben wir uns auf den
Rückweg, stärken uns im Städtchen und machen uns auf die Socken nach
Neiva,
Hauptstadt der Provinz
Huila.
(Fotos
aus der Tatacoa)
„Das
tief
verborgene Land“ …
… wie die
spanischen Eroberer das etwas abgelegene Gebiet in den Anden zwischen
dem Puracé im Süden, dem Nevado de Huila im Norden, dem
Río Paez im Osten und den Pàramos im
Westen nannten, muss sich angesichts der dort entdeckten, für Amerika
einzigartigen Schachtgräber (hipogeos)
nicht mehr verbergen.
Lange vor
Ankunft der Konquistadoren in der
Tierradentro meißelte ein bis heute unbekanntes Volk
Schächte und Gewölbe ins weiche Tuffgestein, in denen es seine Toten
bestattete. Auf kleinen Plateaus der steil aufragenden und mitunter
dicht bewachsenen Bergrücken wurden bisher über hundert solcher
unterirdischer Sammelgräber entdeckt. Die am besten erhaltenen, von der
Architektur und der Ausgestaltung prächtigsten Totenkammern sind zu
besichtigen – und faszinieren, so mensch
ein wenig Schweiß und Mühen nicht scheut, sich im strahlenden
Sonnenschein ein wenig bergan zu quälen.
Gut zwanzig
Minuten vom kleinen, mit sehenswerten Exponaten bestückten Museum liegen
auf einem künstlichen Plateau des Alto de Segovia die größten,
tiefsten und wohl auch schönsten
Schachtgräber.
Die Kammern sind unterschiedlich gearbeitet und ausgeschmückt. Manche
haben Kuppeln und Nischen, in großen stützen ein oder mehrere Säulen die
Decke. Einige weisen schlichte Kolorierung, andere kompliziertere
Farbzeichnungen auf.
Die Gräber
auf dem Alto de Duende sind einfacher gestaltet, auch scheinen
die Malereien recht verwittert. Doch wird
Chicha
ausgeschenkt – von einer einheimischen Familie aus dem Dorf, welche
mit Kind und Kegel zum Sonntagsausflug hierher gefunden hat und sich
gerne mit uns über Kartoffel- und Kaffeepreise in Deutschland
unterhält; beide treiben den Bauersleuten die Tränen in die Augen …
Eine halbe
Stunde entfernt hat man in El Tablón mehrere anthropomorphe
Statuen zusammen getragen – Vorboten von San Augustin. Doch das ist
eine andere Geschichte und die wird …
(Fotos von
den
Grabstätten)
Aguacate …
… nennt
sich der Bergrücken, auf den wir am zweiten Tag unter bedecktem Himmel,
Petrus sei gepriesen, höhenmetern – im Zickzack, als hätten wir bereits
am frühen Morgen einen Schluck
zuviel von seinem Namensvetter –rdente genossen. Der Atem raubende,
schweißtreibende Anstieg lohnt ob der Ausblicke auf die reizvolle
Landschaft mit ihren tiefen satt grünen Tälern, in denen Wolkenfetzen
fürs Gespenstische sorgen.
Nach zwei
Stunden erreichen wir in über 2.000 m Höhe auf einem künstlichen Plateau
der Loma de Aguacate Dutzende kleinerer Kammern, die nicht oder
nur spärlich koloriert sind. In einige führen schneckenförmig
angelegte Treppen, in andere schlichte Stufen. Sowohl von der
Konstruktion als auch von der Ausgestaltung her, sind diese Gräber
jedoch
weitaus weniger spektakulär als die von El Segovia. Dafür bietet sich
vom Grat, auf dem wir weiter wandern, ein herrlicher Blick ins Tal von
Inza.
Nach
einigen Minuten windet sich der Pfad bergab durch Bananen-, Yuca- und
Kaffeefelder zum Alto de San Andrés, auf dessen Plateau deutlich
besser erhaltene und mit Malereien verzierte Hipogeos zu besichtigen
sind.
Nach gut
fünf Stunden lassen wir dem naturnahen, kulturhistorischen Part die
profanen Freuden des Alltags folgen. Das kleine Dorf
San Andrés de
Pisimbalá,
überwiegend von
Paez
bewohnt, strahlt derart was von Ruhe aus, dass sich die Synapsen
entspannen können. Wir helfen ein wenig mit einer Flüssigkeit nach,
welche wir phonetisch mit der durchwanderten Landschaft recht
frei assoziier(t)en ...
(Fotos von
Aguacate)
(Hinweis auf die
Namensgeberin ...)
(Fotos aus
San Andrés)
(zum UNESCO
Weltkulturerbe)
Hähne
krähen, …
… Hunde
bellen, Nachbarn werden aufgemischt - nur weil wir, wie geheißen, kurz vor
Sechs auf der kleinen Terrasse vor Fabians „Restaurante y Bar“ die Camioneta nach La Plata abpassen. Die fahre doch erst zwanzig Minuten
später meint ein Aufgeweckter, der erst seine Hunde zum Schweigen bringt,
bevor er sich seine Hose zuknöpft. Er freut sich, dass es uns in San
Andrés so gut gefallen hat und beklagt als pensionierter Direktor des
kleinen Museums das geringe Interesse für die archäologischen Schätze
seitens der einheimischen Touristen wie der zuständigen
Regierungsstellen.
Das
öffentliche Verkehrsmittel lässt uns Zeit, vom örtlichen Weltkulturerbe
auf die Erwerbsmöglichkeiten der Dorfbewohner und später auf die
kleinen Freuden des Alltags zu schweifen – der Rentner führt uns durch
seine private Hanfpflanzung ...
Fabian, der
uns zwei Plätze im Colectivo reserviert hat, wundert sich als er müde
aus der Tür tritt, dass wir noch
immer im Ort weilen. So reichlich Verspätung habe das Gefährt
üblicherweise nicht. Nach gut einer Stunde stellt sich heraus, dass der
Fahrer nicht informiert wurde, uns abzuholen. Er ist geradewegs an
unserem Dorf vorbeigefahren. Gegen Acht sei mit dem nächsten Wagen zu
rechnen, und wir seien fest gebucht …
Als wir um
halb Neun noch immer auf der Veranda stehen, empört sich mittlerweile
das halbe Dorf – weniger, weil uns die Zeit davonrennen könnte (die
gibt’s ja jeden Tag neu), sondern weil ihre Siedlung ganz offensichtlich
von der Transportgesellschaft stiefmütterlich behandelt wird, anders als
der Nachbarort Inza. Eine
Eingabe, ein Protest beim zuständigen Referenten sei angebracht, wettern
die Männer. Wir hingegen sollten uns keine Sorgen machen: Von La Plata
führen alle Nas’ lang Camionetas nach Pitalito und von dort sei man in
zwanzig Minuten in San Augustín – also noch bevor es dunkel werde.
Was das
Verhältnis zu Zeit angeht, erinnern wir uns an die alte Paèzfrau, welche
uns am Vortag bereitwillig den Weg zum Dorf beschrieb. Auf die Frage, ob er ein
oder zwei Stunden lang sei, runzelte sie nur die Stirn und winkte ab.
Stunde, was ist Stunde? Wahrscheinlich hätten wir fragen sollen, wie oft
man hätte Yucas kochen können, bevor man in San Andrés eingetroffen wäre …
Als wir
gegen Neun schließlich auf dem Büßerbänkchen der Ladefläche des Colectivos sitzen, hat
sich der Fahrer bereits allerlei drastische Worte unserer wohlmeinenden
Nachbarn anhören müssen. Ihm bleibt gar nichts anderes übrig, als uns
wohl behalten nach La Plata zu karren ...
Zum
Schweizer aufs Land …
…
ziehen wir, weil uns das „beschauliche,
freundliche Städtchen“,
in das wir nach umständlichen Umsteigern und mit erheblichem
Zeitaufwand doch noch gelangen bevor es dunkel wird, zu unruhig, zu lärmig und zu überbelegt
mit abgerissenen, gestrandeten Westlern wirkt. Nach einer Nacht „in town“
finden wir die gesuchte Idylle in der Hängematte zwischen Hibiskushecken
und Bougainvilleas von
El Maco
auf einem Hügel mit Blick über die grünen Hänge und die Felder, auf
denen überwiegend Kochbananen und Yuca angebaut werden.
Eine
ausgiebige Ruhephase stärkt uns (mental) für die Tour durch den
Parque Arqueologico,
eine der bedeutendsten Ausgrabungsstätten des Landes und, einmal mehr,
in die Liste der
Weltkulturerbe
aufgenommen – zu Recht! Eine präkolumbianische, indigene Zivilisation,
über die nur wenig bekannt ist, nutzte die für den Handel günstig
gelegene und fruchtbare Umgebung auch als Zeremonienstätte und
hinterließ monumentale aus Lava und Basalt gemeißelte Statuen, welche
die unterschiedlichen Grabanlagen bewachten.
Auf
befestigten Fußwegen, die durch dichten Sekundärwald führen (Bambus
dominiert), gelangen wir zu den beeindruckenden steinernen Skulpturen,
die sehr viel kunstvoller gearbeitet und weitaus besser erhalten sind
als die in Tierradentro. Ob der wenigen Besucher hält die friedliche,
ruhige Stimmung, so dass wir die Zeugnisse der bis dato wenig
erforschten Kultur ausgiebig und ungestört genießen können.
(Fotos vom
Parque Arqueologico)
4 x
4 angetrieben, …
…
mal auf Beinen, mal auf Rädern, rücken wir uns die Sehenswürdigkeiten
der Umgebung ein wenig näher.
Nach
einer knappen Stunde im Sattel können wir uns am ersten Tag ob des
starken Niesels
auswringen, genießen jedoch die gespenstische Stimmung im tief
eingeschnittenen Tal des Río Magdalena mit seinen dicht bewachsenen,
satt grünen Hängen, zwischen denen Wolkenfetzen ziehen. Unmittelbar
bevor der Ausläufer eines schmalen Grates in die Schlucht abbricht,
liegt in
La Cháquira
eine ehemalige Zeremonienstätte mit einem Steinbrocken, in den gleich
auf drei Seiten Reliefs gemeißelt sind.
Unsere Vierbeiner tragen uns stoisch bergauf, bergab, sind gut zu
steuern und alles andere als lahm – wenn wir denn wollen. In
El Purutal
finden
wir die einzigen Statuen, die noch Farbspuren aufweisen; am Fuße der Fundstätte entdecken wir bei einer Familie Kaffeespuren
aus eigenem Anbau im braunen
Wasser. Derart angeregt lassen wir uns durch Felder von Zuckerrohr,
Mais, Yucca, Bananen - und Kaffee - tragen.
(Fotos von der
Pferdetour)
Am
zweiten Tag lassen wir fahren: Gemeinsam mit einer kolumbianischen
Familie mischen wir Landschaft und Geschichte in eine Kultour.
Nach
El Estrecho,
wo das Bett des Río Magdalena auf knapp zwei Meter Breite
zusammenschrumpft (an dieser Stelle sind Springen, Baden und der Konsum
von Alkohol verboten …),
winden
wir uns über Feldwege durch (einmal mehr) Zuckerrohr-, Kaffee-,
Lulufelder (letzteres ist nix Unanständiges, sondern Obstiges) und durch
einige kleine Dörfer zum archäologischen Park
Alto de Los Ìdolos,
der zwar deutlich kleiner ausfällt als der in San Augustín, doch ebenso
sehenswert ist.
Einen Steinwurf weit entfernt vom rührigen Marktflecken
San José de Isnos
findet sich auf dem
Alto de Los Piedras
die
größte zweigesichtige Doppelskulptur (doble yo), deutlich feiner
gearbeitet als die auf dem Lavapata in Augustín. Derartig feine
Steinmetzarbeiten vor dem geistigen Auge, sitzen wir die letzte Stunde
der zeitlich recht langen Fahrt geduldig ab – ohne einen Hauch des
Bedauerns: Die Muskelpartien, welche wir spüren, sind noch von der
vierbeinigen 4x4 Tour leicht gereizt …
(Fotos von der
Jeeptour)
Abgründe tun sich auf, …
… nimmt man die N 20
durch den
Páramo
nach Popayan, welche so tief, so schmal und vor allem so steil
sind, dass man die Talsohle der jeweiligen Schlucht vom Busfenster aus
nicht erspähen kann. Unser Fahrer drischt sein ächzendes Gefährt immer
knapp an der Abbruchkante entlang die dicht bewachsenen Hänge hinauf.
Die schmale, holperige Fahrbahn, die zahlreichen entgegenkommenden
Laster, gewagte Überholmanöver und Blicke in die Tiefen führen hin und
wieder zu Atemnot.
Nach
einer Stunde bereits erreichen wir den
Páramo de Puracé,
und erfahren mit eigenen Augen, warum die dicht mit Gestrüpp bewachsenen Hügel, aus dem
zerzauste Bäume und schlanke Palmen ragen, den Namen „Nebelwald“ tragen.
Nach einer weiteren Stunde verlassen wir die wilde Landschaft und
tauchen in stark gefaltete Weideflächen, deren Täler alles andere als
sanft sind. Hier machen Siedlungen wie Einzelgehöfte einen wohl
bestallten, keineswegs ärmlichen Eindruck.
Vier
Stunden Nervenprobe und wir schnappen im Busterminal von
Popayan
erstmal Luft. Die Hauptstadt des
Departamento Cauca
döst nicht nur um den Parque Caldas sonntagsgemäß vor sich hin.
Der Altstadtkern bewahrt einmal mehr alle Elemente einer spanischen
Kolonialstadt, wirkt von den Bauten her jedoch weniger verspielt, dafür
geradliniger und strenger konturiert. Fast ausnahmslos zweigeschossige,
weiß getünchte Gebäude säumen die nicht allzu breiten Straßen der
„Ciudad blanca“ - sorgsamer Wiederaufbau nach einem verheerenden
Erdbeben Anfang der Achtziger.
Wochentags verwandelt sich das ruhige, fast langweilige Zentrum in eine
wuselige, laute, vom dichten Straßenverkehr zerteilte und nach Abgasen
riechende Zone, in der einzig ein Patio hinter dem Café Valdez ein wenig
Ruhe und wahren (Kaffee-)Genuss ermöglicht. Koloniales Flair ist ja
schön und gut, doch alleine nicht immer ausreichend …
(Info zu
Parque Nacional Puracé)
(Fotos zur
Sonntagsruhe)
Folkloristisch …
... könnte
der Markt in
Silvia auf den ersten Blick vielleicht anmuten, gestellt ist er
hingegen nicht, schon gar nicht für die wenigen Touristen! Vielmehr
spiegelt er all-, zumindest dienstägliches, Leben wieder, wenn
Indígenas der
Guambiano in den frühen Morgenstunden das
Geschehen dominieren.
Unter
freiem Himmel wie in der Markthalle bieten sie ihre
(landwirtschaftlichen) Produkte an: von Zwiebeln über zig Sorten
Kartoffeln bis zu Gemüse und Kräutern. Später, wenn die Ureinwohner ihr
Bündel Scheine aus dem Verkauf ihrer Waren im grauen oder schwarzen
Filzhut untergebracht haben, schlagen Mestizen ihre Stände mit Kleidung,
Schuhen, Haushaltswaren und dem üblichen, unverzichtbaren Krimskrams
auf, den es in den Dörfern der Indianer nicht zu kaufen gibt.
Noch bis
zum späten Vormittag drängen Guambianos zu Fuß, in der Camionetta oder
in einer schwer beladenen Chiva in den unaufgeregten, doch lebhaften
Ort. Auf der Rückfahrt werden
vom Riesenkochtopf für die Großfamilie bis
zum Kühlschrank alle Herrlichkeiten dieser Erde auf den Dächern der
Fahrzeuge mitgenommen.
Während
sich meist Frauen und Mädchen um den Verkauf kümmern, die Spindel in der
Hand, halten sich die Männer dezent im Hintergrund, beobachtend, leise
miteinander sprechend. Ebenso wie die Ladies geben sie allzeit
freundlich und ausführlich Auskünfte über die angebotenen Waren,
Besonderheiten und Bedeutung ihrer einheitlichen Kleidung oder
auffälligen Accessoires – vom langen, schwarzen Stab bis zu den aus
feinen Chaquiráperlen
übereinandergelegten Halsketten ihrer Frauen und Töchter.
Zum
Ausruhen zwischendurch oder vor der Rückkehr zu ihren Gehöften sitzen
die Familien im Parque wieder beisammen, tratschen, schlecken ein Eis,
erfreuen sich an einer Tüte Chips, Vaters neuen Schuhen oder nutzen das
Angebot an "minutos" ...
(Touriinfo zu
Silvia
)
(aktuelle
Problematik der
Guambiano)
(Fotos vom
Treiben auf der Plaza)
(Fotos vom
Marktgeschehen)
(einige
markante Gesichter)
(unsere
dritte Etappe
bis dato auf der Karte)
Schmuckkästchen …
...
haben üblicherweise keinerlei Einfluss darauf, ob in ihnen auch Strass
oder anderer Tand aufbewahrt werden. Der eine halbe Stunde nordwestlich
von
Armenia
gelegene Ort
Salento
bildet keine Ausnahme. Die unter der Woche eher ruhigen Sträßchen mit
den im farbenfrohen,
fast kitschigen (ja, ja, Kitsch ist immer der
Geschmack der Anderen …) paisa-Stil gehaltenen Häuser öffnen an
Wochenenden all ihre Kunstgewerbe-, Andenken- und s.o.-läden, damit die Ausflügler aus Pereira und Armenia auch ja etwas
mitzunehmen haben. Gässchen, Bars, Restaurants (von den letzteren öffnen
einige nur an diesen Tagen) und Pensionen sind überfüllt und strahlen
alles aus, nur nicht mehr die werktägliche Ruhe ...
Den
Eineinheimischen hingegen ist der Rummel kaum anzumerken. Die sitzen
authentisch auf den Bänken, schauen sich das nicht synchronisierte open
air Wochenendprogramm ungerührt an, grüßen gelassen und von allem weitgehend unbeeindruckt
und lassen sich aus ihren Billardsalons mit lokaler Schmachtemusik nicht
vertreiben.
Nach
dem Geldregen und Schweißfluss in konsumorientierten Etablissements
kehrt spätestens am Montagmorgen die „dörfliche Idylle“ zurück: Die
Gassen sind gefegt, sämtliche Fressstände vom Platz geräumt, die
Paletten vor den Speiselokalen als Erweiterung über die Grundmauern
hinaus warten in den Hinterhöfen gestapelt auf den nächsten Einsatz und
so manche Läden und Gelegenheitsrestaurants bleiben geschlossen - bis Freitagabend.
Der
Ort aus „Unser Dorf soll (noch) schöner werden“ hat für uns dennoch
nicht sein
Wohlfühlambiente eingebüßt. Nicht zuletzt Maria Elena in ihrer Oase
„La
Posada del Café“
wird nicht müde, uns liebevoll und ausgiebig zu beschwestern. Trübe Stimmung,
Langeweile, Platzangst etc. haben keine Chance. Selbst nach
anstrengenden, ermüdenden Wanderungen reichen ein Blick in den blühenden Patio oder ein Schluck Limonensaft (wirklich!), um auch mental wieder
voll auf die Beine zu kommen …
(Eindrücke
aus dem Ort
...)
(... und
einige Portale)
(wiki zum
Departamento Quindío)
Dass
im Nebelwald …
…
der Nebel wallt, erfahren wir nicht erst nach der siebten Hängebrücke
über den Río Quindío. Für gut eine Stunde wandern wir nach dem Weiler
Cocora durch das
Tal gleichen Namens.
Auf
den neongrünen Matten links und rechts weiden Milchkühe und
Reitpferde. Zum Grat hin schließt dichtes Gehölz das offene Land. Am
oberen Rand des Graslandes streben filigrane
Wachspalmen
eindrucksvoll zum Himmel. In bis zu 60 Metern Höhe wiegen sich die
zarten Kronen vorm dunklen Grau.
Nach
einer guten Stunde Stolperns durch eine ausgetretene Reitspur erreichen
wir den Saum des dichten Nebelwaldes, in dem sämtliche Stämme von
Farnen, Bromelien und Flechten überzogen sind. Der feuchte, oft etwas
rutschige Pfad durch den Urwald führt uns zum Gehöft Acaime, wo
uns unterschiedliche Kolibris recht zutraulich umschwirren und chicha
de piña das ansonsten übliche
Poker würdig vertritt..
Unser Rückweg eröffnet andere Perspektiven, welche uns die Landschaft
jedoch nicht weniger eindrücklich erscheinen lassen.
(Fotos
von der Wanderung)
Auf
die Palme …
…
lassen wir uns nicht so leicht bringen, schon gar nicht von den
Wochenendlern aus den umliegenden „Groß“städten. Allerdings schlagen wir
am zweiten Tag vor Ort fast den gleichen Weg ein. Statt ins Cocoratal
begeben wir uns allerdings durch eine weite Ebene voller Nationalbäume
nach La Montaña. So harmonisch die Landschaft im weiten Tal auch
wirkt, so sehr sich die ranken Stämme auch von den grünen, sanften
Hängen abheben, wir vermissen Jungholz. Möglicherweise haben die
Keimlinge im dichten Unterholz der Bergkuppen größere Chancen, dereinst
den Nebelwald als „Wald über dem Wald“ (A. v. Humboldt) haushoch
zu überragen.
Auf
dem Weg zur Bergstation eröffnen sich von der Schotterpiste aus
spektakuläre Blicke ins Cocoratal. Blattwerk „auf dem Gipfel“
hingegen schränkt die freie Sicht auf alle möglichen bunten Vögel im
nicht mehr ganz so dichten Nebelwald etwas
ein – schräge Wandervögel steigen deutlich sichtbar auf dem Talweg bergan und
leisten uns beim Trocknen der Funktionswäsche Gesellschaft.
(Fotos
von der
La
Montaña
Wanderung)
(am
Bach entlang
...)
Kalter Kaffee …
…
ist es nicht, was uns Jesús während unserer „Kaffeefahrt“ zum Besten
gibt. Mit Leib und (vor allem) Seele hat er sich dem verschrieben, für
das Kolumbien nach dem Goldfieber und vor der
Ära der Drogenkartelle
stand. Da die Qualität der „Besten Bohne“ durch eben die Faktoren
bestimmt wird, welche auch die Güte unseres Elblings (oder Rieslings,
oder …) entscheidend beeinflussen, und das Spanisch unseres guía meine
kleinen Grauen nicht überfordert, erschließen sich uns die Zusammenhänge
vom Keimling bis zur röstfertigen Bohne ohne weiteres.
Dass
hiermit für Kolumbien „der Kaffe auf ist“, ist für uns neu: Im
Lande wird kaum geröstet. Vielmehr vertickt ein quasi mafiöser
Zusammenschluss der Kaffeebauern mit Monopolstellung und erheblichem
politischen Einfluss die gewaschenen und getrockneten Bohnen zum
Weltmarktpreis an fast ausschließlich ausländische Konsortien, in deren
Händen die Veredlung liegt. Röstfrische Bohnen finden dann als Ganzes
oder bereits gemahlen den Weg zurück ins Ursprungsland. Ob der hohen
Preise fürs elaborierte Produkt ist „guter Kaffee“ hierzulande nur
selten zu genießen. Der wahre Espresso wird in Ketten wie Oma,
Illy, Valdez zu europäischen Preisen ausgeschenkt ….jpg)
... oder
in der Tienda von
Jesús Martin
– nicht weniger teuer. Allerdings wagt er den vorsichtigen Aufstand, die
röstfertigen
Arabica
aus der Familienproduktion zu erwerben und selbst zu veredeln. Auf dem
Weg, seinem Anspruch eines Tages den besten Kaffee in ganz Kolumbien
anzubieten, zu genügen, liege noch viel Forschungsarbeit vor ihm, gibt
er zu bedenken. Was den Capuccino angeht, den sein Barrista braut, ist
er bereits kurz vor dem Ziel …
Uns fasziniert die
Leidenschaft, mit welcher der gelernte Anwalt seine Vision umzusetzen
versucht und die auch seine Mitarbeiter teilen, die er nicht müde wird,
ausgiebig zu loben. Ohne sie sei ein Erfolg seiner Arbeit nicht denkbar
...
.jpg)
(Fotos
von der
Kaffeefahrt)
(ColombiaTravel zur
Kaffeezone)
(Diamir zur
Eje Cafetero)
(Infos zum
Weltkulturerbe)
(Kaffee und
FairHandel)
Attraktiv,
…
… zumindest
äußerlich, ist die
Provinzhauptstadt nicht, provinziell ist sie allerdings auch nicht.
Die Art von
Negativschlagzeilen, für die sie über fast zwei Jahrzehnte hinweg sorgte, haben deutlich abgenommen – die Probleme nicht unbedingt …
Wie ein
zäher Brei hat sich
Medellín zunächst in der Talsohle des
Valle de Aburrá ausgebreitet,
bevor sich legale wie illegale Ansiedlungen wie Krakenarme die oft
recht steilen Hänge eroberten. Selbst die Wohn-, Geschäfts- und
Verwaltungsquartiere entlang des Flusses wirken, abgesehen vom
Schachbrettmuster der Straßen, wenig geordnet. Die Traufhöhen spiegeln
das Budget des Bauherrn, die Fassaden entweder pekuniäre Sparsam- oder
Einfallslosigkeit von Architekten wider. Selbst die „historischen
Viertel“ sind eher hässlich.
Dennoch
wirkt die Stadt hier keinesfalls abstoßend oder unsympathisch. Es tobt
das pralle Leben – mitunter plätschert es allerdings auch nur relativ
ruhig vor sich hin.
Am
regnerischen Samstagmorgen ist der mit Beton „begrünte“ Parque San
Antonio menschenleer und so was von unwirtlich, dass es allein die
Friedenstauben
Boteros sind, die uns dieses abschreckende Beispiel für ein Stück
öffentlichen Raumes betreten lassen. Die unmittelbare Umgebung hingegen
lebt – wie eben eine südamerikanische Stadt lebt, in der es nicht nur
Reiche gibt.
Auf der
Plaza Berrío sammeln sich Anhänger unterschiedlicher
lateinamerikanischer Klänge, um ihnen, von „ihrer Gruppe“ gespielt, life
beizuwohnen. Dazwischen preisen Hellseher die Zukunft, Scharlatane ihre
Heilkräuter, Tintoverkäufer ihr braunes Wasser und wer weiß wer noch
alles sein wer weiß was noch an.
Die
Crème
lässt sich an diesem Ort eher nicht blicken.
Auch nicht
auf der Plaza Botero, den über 20 Monumentalskulpturen des
Künstlers kulturell aufwerten, dessen Gestaltung jedoch
Landschaftsplaner wie Gartenbauer auf die Brücke treibt. Außer
einheimischen wie ausländischen Touristen, welche all die
Imbissverkäufer, Telefonanbieter, Geisterbeschwörer, Erinnerungsfotofotografen, Schuhputzer und Bauchladenträger in Kauf
nehmen, um die üppig sinnlichen Bronzen zu begutachten, den Stadt- und
Einkaufsbummlern und den Rumhängern, treibt es auch jede Menge „Damen“
zu ihren Arbeitsplätzen am Brunnen vor der Ermita de la Veracruz.
In Formen wie Umfang den Werken des Exzentrikers nicht unähnlich räkeln
sie sich ziemlich unverhüllt in den Aufgängen zu den Absteigen – das
pralle Leben eben; augen(ge)fällig, doch keineswegs aufdringlich ...
„Unsere“
Wohngegend,
El Poblado, hingegen, strömt
wohlstandsgeformte Langeweile aus, wartet mit höherwertigem Wohnraum und
japanischen Limousinen auf, wirkt bieder – wie „unser“ Tempelhof eben … .jpg)
(Fotos vom
Leben)
(Fotos von
einigen, auch lebenden,
Skulpturen)
(Eindrücke von der
Pájaro de Paz)
(Quetzals Nachschlag zur
Drogenmafia Kolumbiens)
Weitaus
weniger privilegiert lebt’s sich in dem Gewirr aus übereinander
gebauten, in sich verschachtelten Häusern in den steilen Hängen des
Aburrátals, über welche die
Metrocable führt. Aus „sicherer Distanz“ schwebt
man als Voyeur über die Barrios, Einblicke in die Schatten
urbanen Lebens zum Preis des Bahntickets.
(Fotoeindrücke aus der
Metrocable
...)
(... und 'was
aus der TAZ)
Mitten im Busch …
…
liegt die Ciudad Madre, der älteste von Konquistadoren gegründete
Ort im Departamento.
Santa Fé de Antioquia,
1541 von Jorge Robledo als (Gold-)Minensiedlung ins Leben gerufen,
gilt, einmal mehr, als koloniales Kleinod.
Von
Medellín aus schraubt man sich zunächst durchs arg zerknitterte Gebirge
mit sattgrünen, steilen Hängen bis zum Tunnel, serpentint sich dann auf
die Talsohle zurück und fährt fast eine
Stunde durch arides Buschland bevor man die in ihrer kolonialen (Bau-)Struktur vollständig erhaltene Stadt erreicht.
Die
meist zweistöckigen aus Ziegeln errichteten Häuser mit Patio
beeindrucken vor allem durch die typischen Holzschnitzarbeiten an
Fenstergittern und Portalen. Der Platz ist leider zugestellt mit
Ständen, an welchen die Art von Tand verkauft wird, die in Salento in
den Läden der Calle 6 weniger schmerzhaft (weil nicht so
offensichtlich) ins Auge fällt. Allerdings ist die Plaza Mayor fest in
der Hand der Einheimischen – hier wird werktäglich flaniert, im Freien
ostentativ Kaffee getrunken (hin und wieder schleicht sich bereits am
frühen Morgen ein Bier
auf den Tisch) und, unter Männern, getratscht.
Wirkt der Ort bis kurz vor Mittag noch recht ruhig, so tobt kurz vor
Abfahrt der zahlreichen Chivas das pralle Leben am Platz. Aus allen
Winkeln werden Waren herangekarrt, welche ihren Weg in die umliegenden
Siedlungen oder zu den einsamen Gehöften finden sollen. Rush Hour
gleich neben Bolívar – das Städtchen ist eben nicht nur Ausflugsziel am
Wochenende, sondern Verkehrsknotenpunkt und Warenumschlagplatz; von
wegen Puppenstube, hier tanzen sie … und hauchen einem „touristischen must“ wirkliches Leben
ein …
(Fotos
aus der Stadt)
(Fotos von der
Puente Colgante de Occidente)
(Betriebsamkeit
am Platz)
Sonntagsausflug …
…
mit den Großstädtern ans Meer von Antioquia – auf 2.000 m Höhe.
Das Busticket zum Wochenendtarif ist günstig, Straßenbenutzungsgebühren
werden nicht verlangt, selbst die
Sonne
strahlt unverhohlen. Was Wunder, dass wir nicht die einzigen sind, die
in
La Piedra
frische Luft, angenehme Temperaturen und nach dem Häuserbrei der Stadt LANDschaft suchen – und finden.
Sobald man die 659 Stufen in der „Regenrinne“ des ansonsten recht
glatten, umgekippten Hinkelsteins, den Gletscher der letzten Eiszeit
hier liegen gelassen haben, hinaufgestiegen ist, eröffnen sich vom
Monolithen aus Granit ungetrübte Blicke weit übers Land – in dem Wasser
dominiert: Durch den
Stausee von Guatapé
wurde eine künstliche Landschaft voller Inseln und Halbinseln
geschaffen, die fast bis zum Horizont reicht. Die zahlreichen (noch) in
Hangars gestapelten „Sport“boote wecken allerdings schlimmste
Befürchtungen.
(paar Fotos vom
Peñol de Guatapé)
Wir
tuktuckern „… ins ‚paisa-Spielzeugstädtchen’ Guatapé mit seinen
puppenhaften bunten Häuschen und den typischen ornamental gestalteten
Zementsockeln (zócalos)“ (Reise Know
How, S. 297).
Der
Ort
wird an Wochenenden
ähnlich frequentiert wie Salento, ist ähnlich nett herausgeputzt und
mit der gleichen Freude an kräftigen Farben bunt gestrichen. Neben
traditionellen Ornamenten schmücken auch gegenständliche, oft
relief-artige Motive, welche durchaus vom Humor und der (Selbst-)Ironie
der Bewohner zeugen, die Fassaden.
So
viele Wochenendausflügler auch durch die mit Hängeblumen geschmückten
Gässchen streichen oder in einem der zahlreichen Restaurants entlang des
Seeufers speisen, die Plaza, von Cafés und Bars umsäumt, bleibt fest in
der Hand Einheimischer – und macht die Touristenattraktion einmal mehr
ausgesprochen sympathisch.
(Fotos von
Sockeln und mehr)
(unsere
dritte Etappe
bis dato auf der Karte)
Wir
sind nicht
gemein(t),...
... sondern in Cartagena und wohl auf!
Bis demnächst
panther & co
10. Februar 2013 (ab jetzt der
"besseren zeitlichen Orientierung" wegen wieder mit Datumsangabe ...)
„Wie
eine stehengelassene …
…
Filmkulisse inmitten der Tropen“ (Sebra, S. 256) wirkt das
Städtchen am Brazo de Mompox, einem Seitenarm des Río Magdalena,
tatsächlich, doch ist ihm weder ein Dornröschenschlaf
beschieden
(ebd.) noch steht hier die Zeit still (Reise Know-How, S. 365).
Dichterische Freiheiten mögen Hintergrund dieser Formulierungen sein –
oder aber schlampige Recherche.
Außer einer
Filiale der Supermarktkette „Exito“ gibt es in
Mompox
alles, was auch in anderen Orten gleicher Größenordnung zu finden ist.
Dass es als „eine der ungewöhnlichsten Kolonialstädte Amerikas“
bezeichnet wird, dürfte eher der geografischen Lage geschuldet sein:
mitten im Schwemmland (und Überflutungsgebiet) verschiedener Flüsse, umgeben von Kanälen, Sümpfen
und Lagunen.
Der
Handelsstützpunkt zwischen Bogotá und der Küste stand bis zur Aufnahme
der modernen Dampfschifffahrt auf dem breiteren und vor allem tieferen
Brazo de Loba in ständiger Konkurrenz zur großen Schwester
Cartagena. Auch der Schmuggel über Santa Marta spülte Geld in die
Kassen und zog neben der kreolischen Handelsaristokratie einige
bedeutende Kirchenorden an. Entsprechend ist die Dichte einschlägiger
Gotteshäuser und repräsentativer Wohnsitze – heute noch/wieder in sehr
passablem Zustand …
Die
einheitliche, geschlossene Struktur des Stadtbildes hat zweifelsohne
dazu beigetragen, dass
die UNESCO aufhorchte und Mompox in die Liste der
Weltkulturerbe
aufnahm. Zwar lösen Spaziergänge entlang der einstöckigen, hohen Häuser
mit ihren oft kunstvollen schmiedeeisernen Gittern, mächtigen Portalen
und dicht begrünten Patios bei uns keine Begeisterungsstürme mehr aus
(wir haben einfach zu viele "erlesene Kolonialstädte" in zu kurzer Zeit
gesehen – ist ungerecht, wissen wir selber), doch beeindruckend sind die Blicke
auf die Außenfassaden wie in die großzügigen Innenräume der Bauten
schon. Und wenn die freundlichen, zugewandten Momposinos, welche sich vom zunehmenden Tourismus wenig beeindruckt zeigen, auch ihr Müllproblem
noch in den Griff bekämen, könnte Mompox eine "richtig schöne" Stadt werden
...
(ColumbiaTravel
zu
Mompox)
(Fotos
aus dem Ort ...)
(...
und vom Karneval)
(unsere
vierte Etappe auf google maps)
13. Februar 2013
Die
Mischung machts …
… - gerade
in einer Perle der Karibik, in
Cartagena.
Hier fühlen wir uns auch während unseres zweiten Aufenthalts einfach nur
wohl!
Kaum
aus Medellín in „unserem Viertel“ Gethsemaní angekommen,
wissen wir, was wir all die Wochen über vermisst haben: jenes “karibische
Flair“, bestimmt aus den unzähligen Farbnuancen der Gesichter, von
(fast) Pechschwarz bis (fast) Schneeweiß, den kaum durch Silikon
verstärkten Körperformen (dafür sorgen hier die Gene), der unbedarft
unaufdringlichen Neugier und der recht offenen Zugewandtheit der
Menschen in diesem Touristenbums, das so viel Eigenes bewahrt hat, dass
es sich vor nichts verstecken muss, mensch das Bums also getrost weglassen
kann ...
Innerhalb
der Stadtmauern des „historischen Zentrums“ finden wir reichlich Museen,
doch keine museale Stimmung. Hier wird gearbeitet, gefaulenzt,
geschwatzt, herumgestanden, flaniert, gewerkelt etc. - mit anderen
Worten: Hier wird gewohnt und gelebt. Kein aufgesetztes
Rothenburgambiente, kein Hauch von Disneyworld, keine künstliche
Filmkulisse - hier laufen minütlich in realiter Filme aller Genres. Die
Straßen sind, je nach Tageszeit, Ladenviertel und Quartier voller
Menschen - oder auch nicht. Der Anteil der Kreuzfahrer bleibt, anders
als in Venedig, recht überschaubar und stört weit weniger als die
Menschen aus dem Berliner Umland an Buß- und Bettag auf dem Tauentzien
(oder die Touristen zur Vorweihnachtszeit in Salzburg, liebe
Seekirch’ner ...).
Doch selbst
auf
touristischen Ameisenstraßen bleiben die Cartageñas Frau des
Geschehens.
Im entsprechend hergerichteten Vorzeigedistrikt El Centro sind,
gerade in den kolonialen, aufwendig restaurierten Gebäuden, derart
viele Behörden angesiedelt, dass vor allem zur Mittagszeit die
Einheimischen Straßenstände, Cafés, Restaurants und Bars füllen. Sie
sind es auch, die am frühen Abend durch die Designerläden stromern oder,
ein paar Nummern kleiner, in den Seitenstraßen die Kramläden aufsuchen.
Trotz sorgfältiger Denkmalpflege (Weltkulturerbe
…), herausgeputzter Fassaden und geschmackvoller Beleuchtung wirkt
dieses Viertel nicht gestylt, nicht aufgebrezelt, nicht gekünstelt,
nicht auf Touris zugeschnitten, sondern, tja, authentisch, weil
bewohnt und somit rund um die Uhr belebt. Havanna vor zwanzig Jahren, allerdings
weitaus besser erhalten, könnte als Vergleich herhalten: ehemalige
Paläste mit Arkadengängen, repräsentative Balkone, Palmen bestandene
Patios.
(Fotos aus
El Centro)
In San
Diego findet sich ebendies in leicht abgespeckter Version wieder. Ob
des noch viel stärker ausgeprägten Wohncharakters ist’s hier deutlich
ruhiger. Auch stehen zahlreiche, für teuer Geld erhaltene Häuser –
Gentrifizierung ist angesagt. Zwar existieren noch
einige Tante Emma Läden und einfacher Wohnraum, doch wird überall
luxussaniert. Prenzlberg’sche, Kreuzberger Verhältnisse überwiegen
bereits, was dem Charme der Gegend allerdings keinerlei Abbruch tut -
ganz im Gegenteil ...
(Fotos aus
San Diego)
UNSER Kiez
ist das Handwerker- und Backpackerviertel Gethsemaní, nicht
Schmuddelkind der
Altstadt,
doch, noch innerhalb der Murallas gelegen, mit seinen engen,
krummen Gassen Heimat der kleinen Leuten. Niedrige, meist schmale
Häuser, kaum „geliftet“, leicht verwohnt und mit bröckelndem Putz
überwiegen. Tischlereien, kleine Holz- und Baustoffdepots, Schmiede-
und Klempnerwerkstätten, Nähstuben, Straßenfriseure (und -mädchen),
kleine Tiendas, Restaurants, Bars sorgen für ein ganz besonderes, fast
schon kleinstädtisches Flair. Trotz des überproportionalen Anteils an
aus- UND inländischen Fremden, scheinen die Ureinwohner kein bisschen
genervt – anders als in Friedrichshain oder SO 36.
(Fotos aus
Gethsemaní)
Am späten
Nachmittag, allerspätestens nach Einbruch der Dunkelheit, sitzen sie
auf Plastiksesseln oder in Schaukelstühlen in ihrem gemeinsamen
Wohnzimmer – auf der Straße. Lieferanten und Taxifahrer wissen dass und
steuern durch „unbesetzte“ Gassen. Streift man morgens durchs Viertel,
stehen die Fensterläden, die bis zum Erdboden reichen, offen und man
glaubt sich in Stgo. de Cuba. Alle (Einrichtungs-)Stile der Welt strahlen einem entgegen; und das ein oder andere
Gesicht auch. Hier kennt jeder jeden und jeder mann
jedermanns kleine Geheimnisse. Was Wunder, wenn Muttern abends aus ihrer
Straßenküche einem Boten oder Papiersammler eine Empanada reicht oder
der Müllsortierer mal eben mit einem Aguardente beglückt wird. Und da wir
Touris beim abendlichen Stelldichein auf der Plaza de la Trinidad
noch immer mehr als deutlich in der Minderheit sind, eher unauffällig
unser Bier trinken und nicht krakeelen, scheinen wir nicht nur
geduldet, sondern akzeptiert zu werden – leben und leben lassen, auf
Karibisch eben ...
(Infos
zur Musik)
(unsere
vierte Etappe auf google maps)
18. Februar 2013
Als
Geheimtipp
…
…
wird das „charmante (Lebens-) Künstlerdorf“ (R’Know-How)
Minca
wohl schon lange nicht mehr gehandelt: Die enorme Dichte an Hostales,
Restaurants, „best guides ever“ etc. spräche dem auch Hohn, ganz zu
schweigen von den recht zahlreichen, überwiegend jungen Travellern,
welche die/das „Alternative“ suchen und Birdwatchern im Pensionsalter,
welche sich von der außergewöhnlichen Vogelvielfalt angezogen fühlen.
Auch lässt sich der zugeschriebene Charme zumindest nicht auf den ersten
Blick ausmachen, liegt der Ort doch weder "malerisch" in einer
Bergfalte der
Sierra Nevada
noch fällt er städtebaulich (hier gibt’s nicht mal eine Plaza) oder
durch eine besondere Siedlungsarchitektur auf. Vor allem die Nichtkünstler
wirken eher mürrisch, ähnlich der Bedienung vor Jahrzehnten im „Gastmahl
des Meeres“, welche sich durch eine versuchte Bestellung aus ihrem
realsozialistischen Kellnerschlaf gerissen fühlte.
Doch
bereits beim zweiten Besuch des Lokals gibt sich mensch hinterm Tresen
oder in der Küche aufgetaut freundlich und zuvorkommend. Und all
diejenigen, die sich, einmal hier gelandet, in Gastronomie oder
Tourismus versuchen, wecken oft auf Anhieb Wohlgefühl(e). Daneben
strahlt der Ort jene Mischung aus Ruhe und Verschlafenheit aus, die uns
nach der Großstadt durchaus gut tut. Wer Äktschn sucht, findet sie bis
abends in der Umgebung des (Moto-)Taxistands, später dann in den von
abgeklärten Fremden oder aufgeklärten Rückkehrern geführten (Musik-)Lokalen
...
… oder auf Wanderungen
durch sattgrüne, artenreiche Sekundär(!)wälder entlang rauschen der
Bächen oder auf Eselspfaden steil bergan durch die ein oder
andere Kaffeepflanzung. Abstecher zu kühlen(den) Pools oder, ob der
anhaltenden Trockenheit, nur munter plätschernden Wasserfällen (nach
einem kräftigen Regen dürften sie tosend stürzen …) lohnen auch optisch.
Und nach
einem Plausch auf eine Limonade oder ein kühles Bier in der Wildnis oder
einem Fruchtsaft in der ein oder anderen Künstlertienda schimmert dann doch der anfangs
vermisste Charme durch, mitunter auch optisch …
(wiki zur Sierra Nevada)
(Fotos vom
Aufstieg zum Mirador bei Los Pinos)
(... und vom
Spaziergang zum Pozo Azul)
(unsere
vierte Etappe auf google maps)
21. Februar 2013
So
wirklich
„charming“ …
… wirkt
auch die Bucht von
Taganga nicht auf den ersten Blick, obwohl von den
Klopapierfahnen der Hippies, welche das zunächst Fischer-, später dann
auch Badeörtchen auf die Seiten einschlägiger Reiseführer brachten,
nichts mehr zu sehen ist und der „... von Fischabfällen, zerrissenen
Netzen und Zivilisationsmüll buntscheckige Sandstrand …“ (R’Know-How)
eher dem Eindruck eines ermüdeten Schreibers oder, einmal mehr, einer
schlampigen Recherche geschuldet ist denn der aktuellen Situation
(selbst Reiseführer werden nicht allein dadurch aktueller, dass sie in „komplett
aktualisierter Auflage“ erscheinen …).
Doch die
Kokospalmen stehen noch, das Meer ist unglaublich blau, das Wasser klar
und die Fischer, egal von welchem Fang sie leben, haben es noch immer
nicht eilig. Die Strandpromenade ist befestigt, in Kiosken wird all das
angeboten, was so auf Strandpromenaden der ganzen Welt an die Frau
gebracht werden soll und die Idylle der Lebenskünstler und solcher, die
sich dafür halten, ist dem gewichen, was die fast ausnahmslos jungen
fremden wie einheimischen (Bade-)Gäste daraus gemacht haben.
Und das
wirkt keineswegs ungemütlich. In kleinen Bars und überschaubaren Restaurants sitzt mensch ebenso entspannt wie in den eher an Kaschemmen erinnernden
Treffpunkten der Einheimischen, die zwischen Limo, Bier und Schnaps
austauschen, wer oder was ihnen im Laufe des Tages ins Netz gegangen
ist: Ebenso lukrativ wie der Fischfang dürfte der Transport derjenigen
sein, die sich per Bötchen in die Nachbarbucht Playa Grande
juckeln lassen, um dort zu baden.
Auch hier
tobt das Leben nicht, es rauscht wie die sanften Wellen ruhig dahin,
obwohl es zumindest an Wochenenden eng werden dürfte. In einer Vielzahl
von „rustikalen“ Unterständen ist fast alles an kulinarischen
Köstlichkeiten und so manch gekühltes Getränk zu haben, wenn man denn
bereit ist, sich aus dem „Mietliegestuhl“ zu schrauben.
Ab dem
späten Nachmittag bereichern dann diese „Strandheimkehrer“ die
Promenade, ohne die Ruhe und Gelassenheit unter den Palmwedeln auch nur
entfernt zu beeinträchtigen. Selbst wenn all die vielen Traveller ihre
über den gesamten Ort verstreuten Herbergen verlassen, um abzuhängen
oder zu dinieren, es bleibt unhektisch, unaufgeregt. Die Silberschmuck-
und Armbändchenverkäufer sind ebenso wenig aufdringlich wie die
Straßenmusikanten oder fliegenden Maiskolbenhändler, wir können unser
„Riesenbier“ völlig ungestört auf dem Mäuerchen der Promenade genießen
und in den Sternenhimmel blicken (bei gut 28 Grad) und selbst der
krummbeinige Fischer, der mit seiner fast leeren Flasche in der Hand so
übers Pflaster geht, als kämpfe er sich bei Windstärke 9 über Deck, stört kein bisschen. Was
Wunder, wenn wir uns in dieser „Travelleroase“ mit ihrer entspannten
Stimmung schlichtweg wohl fühlen? Na gut, unsere
Unterkunft trägt erheblich zum
Wohlfühlen bei …
Unser
Besuch bei der großen Schwester unseres kleinen Ortes,
Santa Marta,
bringt kaum Lustgewinn. Zwar sind die meist recht gut erhaltenen und
aufwendig restaurierten Zeugnisse kolonialer Vergangenheit im centro
historico nett anzuschauen, doch haben nur sehr wenige der
ästhetischen Fantasielosigkeit moderner Betonklötze widerstehen können.
Das sehenswerte kleine
Goldmuseum,
selbst in einem futuristischen Bunker der Banco de la Republica
einquartiert, tröstet kaum über die eklatanten Bausünden der Jetztzeit hinweg – und lärmige, geschäftige Hauptstraßen in
Provinzhauptstädten
mit kolonialem Hintergrund reißen uns nach all den Monaten nun wirklich
nicht mehr vom Hocker.
Um so mehr
genießen wir die verkehrsberuhigte Strandpromenade unseres Örtchens, den
kitschigen Sonnenuntergang und
den gehobenen Standard unseres Appartements, auf den wir während der
kommenden Tage wohl verzichten müssen. Eigene Dusche, altersgerechte
Schlafunterlagen und gekühltes Bier tauschen wir auf unserer Trekkingtour zur
Ciudad Perdida
gegen kühles Nass aus dem Bach und Hänge-matten unter Palmdächern. Doch
das wird eine andere Geschichte, und die wird demnächst erzählt ...
(aus der
Bucht von Taganga)
(unsere
vierte Etappe auf google maps)
05. März 2013
Die
verlorene Stadt …
… der
Tairona, bzw. das, was an steinernen Spuren von ihr übrig geblieben
ist, liegt noch immer ziemlich versteckt in den steilen Hängen des
Cerro Corea im Dschungel, zwischen 900 und 1200 Metern hoch über dem
Río Buritaca und ist für teuer Geld mit dem Hubschrauber zu
erreichen – oder nach einigen
Tagesmärschen unter viel Schweiß durch
landschaftlich eindrucksvolle Gegend.
In Celso,
unserem indigenen Führer, finden wir den Mann, der uns nicht nur den Weg
zeigt,
sondern uns behutsam einführt in die Denkweise und in die Mythologie
seines Volkes, der
Wiwa,
welche der Sozialstruktur und vor allem den religiösen Vorstellungen der
Arhuaco
und
Kogi,
zahlenmäßig deutlich größeren Gemeinschaften, sehr nahe kommen. So legen wir
also nicht nur (Höhen-) Meter zurück, sondern erfahren auf dem Weg in
die
Ciudad Perdida
einiges über die aktuellen Lebensbedingungen und –weisen
indigener
Völker in der
Sierra Nevada.
Nach einer
heftig durchgerüttelten Stunde im 4x4 endet die „Teststrecke“ in
Machete (El Mamey), wo unsere Habseligkeiten bleiben. Mit dem
Nötigsten auf dem Rücken, und selbst das wird bis zum späten Nachmittag
mit jedem Schritt schwerer, durchqueren wir verschiedene Bäche und
steigen durch Viehweiden, Yucca- und Maisfelder steil bergan. Tiefe
Blicke in ebenso tiefe Täler des stark gefalteten Gebirges bieten dem
Schweiß keinen Einhalt. Wir halten uns an der Wasserflasche fest, Celso am
poporo,
einer Kalebasse, der er mit einem Spatel die Mischung aus Muschelkalk
entnimmt, welche den Kokablättern in seinem Mund die Energien entlockt.
Nicht nur
auf dem Bergrücken, den wir endlich erklimmen, treffen wir auf kleinere
Nester und auf Patroullien der Armee. Kokaanbau will kontrolliert sein - und
die Sierra ist noch immer Rückzugsgebiet von
FARC und
Paramilitärs
und bleibt einer der
Austragungsorte
bewaffneter Konflikte.
Am
Ende eines elend langen Abstiegs, der nicht weniger Muskeln
strapaziert als der Aufstieg (nur eben andere) und der uns die Augen verdrehen lässt, wenn wir an den Rückweg denken, finden wir in Adán,
einer Ansiedlung mit einer handvoll Häusern, unsere Hängematten – und
ein Bier aus dem Kühlschrank (sic!). Spätestens im Gespräch vorm
Abendessen wird klar, dass wir Oldies in unserer Sechsergruppe (zwei
Französinnen, ein Aussie und eine Deutsche) bestens aufgehoben und
keinesfalls ein Klotz am Bein sind.
(einige
Fotos vom
ersten Tag)
Nach einer
recht kühlen Nacht, in der die zum Trocknen aufgehängten Klamotten nur
noch feuchter werden, verläuft unser Pfad wie das Leben an sich – auf
und ab („kolumbianisch flach“, wie Luis, unser zweiter guide und
Dolmetscher, meint), mal glatt, mal geröllig, von der Landschaft her
vielfältig. Jede Biegung, jeder Blick durchs kultivierte und erst recht
durchs wilde Grün sind ein Foto wert. Gute drei Stunden wandern wir im Tal des Buritaca bergauf, bevor wir mit Rosário, einer von
Wiwas betriebenen Hängemattenherberge, unsere Bleibe für die Nacht
erreichen.
Dem
erfrischenden Bad im Bach, dem Mittagessen und einer ausgedehnten
Siesta folgen der heimatkundliche und ethnologische Teil des zweiten
Tages: Aus den fleischigen Blättern einer Agave schabt Celso die Fäden
frei, welche zum Weben der Tragetaschen (mochilas) benötigt
werden, ohne die sich kein Indigener op pad begibt. Ein erwachsener Mann
trägt mindestens drei über der Schulter bzw. um den Hals. Die größeren
nehmen die Untensilien des täglichen Bedarfs, Kleidung etc. auf, im
kleinere Umhängebeutel werden Kokablätter und der porporo aufbewahrt.
(im
Alojamiento Wiwa)
(Heimatkundliches
...)
In
„fußläufiger Entfernung“ (keine Minute vom Haus) gedeiht der Stoff, aus
dem – nach westlicher Sicht – die Träume sind. Den Ureinwohnern der
Sierra ist, ebenso wie den Indigenen am Amazonas, der Anbau und der
Konsum von Koka gestattet, weil er schlichtweg traditionell zum
(Männer-) Leben gehört. Und so führt uns Celso durch die Pflanzung,
zeigt uns Samen und Setzlinge, pflückt geeignete Blätter (eigentlich
Frauenarbeit) und lässt sie rösten (ebenfalls was für Frauen). Als Tee
dürfen auch wir (wie die indigenen Frauen und Kinder mit
Magenbeschwerden oder Atemnot) das Produkt genießen – did some good …
(… und
„Traditionelles“
…)
Dass wir
nicht alleine auf dem trail sind, wird uns am Abend ob der
ausgebuchten Schlafplätze
und
der an frühe Jugendherbergszeiten erinnernden Abendmahlstimmung
unmissverständlich bewusst gemacht.
Eine halbe Stunde nach unserem
Aufbruch am folgenden Morgen vermittelt uns Celso Siedlungsstruktur und
soziales Gefüge einer Gemeinschaft der
Kogi am und im real existierenden
Dorf. Dass die (nicht nur jüngeren) Kinder auf dulces warten,
deutet nicht nur auf die zahlreichen gedankenlos Bonbons verteilenden
Touristen hin, sondern lässt vermuten, dass auch von indigenen „großen
Brüdern“ ein Obulus fürs konzertierte Fotografieren abverlangt wird –
gesunde Zähne hin oder her …
(Lollies
fürs
Kogidorf)
Das Terrain
bleibt steil, die Landschaft vielfältig, der Primärwald dominiert die
kultivierten Handtücher der paisanos. Nach guten vier Stunden Aufs und
Abs erreichen wir mit den Cabanas de Romualdo unser „Basiscamp“.
Noch am Nachmittag brechen wir auf zur Ciudad Perdida. Stock und Stein,
Wasserrinnen, durch die wir auf und wieder absteigen und Felsbrocken im
Bett des Buritaca hinter uns lassend, beginnen wir bei bereits leicht
diesigem Licht den Aufstieg. 2000 Stufen sollen vor uns liegen.
Nach einer
halben Stunde das Rauschen des Baches unter uns, das Blattwerk des (fast
noch) Urwaldes über uns erreichen wir die erste Terrasse der einst
vermutlich größten Stadt der
Tairona.
Hier
unterzieht uns Celso einem Reinigungsritual, bevor er uns über die
heutige Bedeutung der
heiligen Stätte für die Indigenen der Region aufklärt und am piedra
de mapa den Plan der Anlage näher bringt.
Am Fuß
einer
breiten Treppe, die zur Zeremonienstätte führt, eröffnet uns Jerry,
unser Koch, dass wir trotz "offizieller" Genehmigung die Vollmondnacht nicht in der
Verlorenen Stadt verbringen dürfen, sondern ins Camp
zurückkehren müssen. Selbst die ausgesprochen mystische Stimmung,
durchs fade Licht, die sich abwärts windenden steilen Treppen und die Geräusche des Urwaldes hervorgerufen, lindert unsere Enttäuschung kaum.
Und im Lager angekommen, packt uns das schiere Entsetzen: Gut sechzig
bis achtzig Wandersleut’ sitzen an den Tischen, warten aufs Abendessen –
und werden wohl morgen mit uns die von bemoosten Mauern
gestützten Plateaus erstürmen …
(am
Spätnachmittag
in der Verlorenen Stadt)
(unsere
vierte Etappe auf google maps)
Let the
others rush …
… lautet
die Losung, auf die sich unsere Gruppe einigt – wir ziehen als letzte
los,
Buritaca 200
(so die archäologische Bezeichnung) zu besichtigen. Die steile, schmale
Treppe durchs satte
Grün
zur ersten Terrasse ist Hirn und Füßen noch in guter Erinnerung. Ein mit
flachen Steinen ausgelegter Pfad führt zum „Becken der Jugend“, in/an
dem sich noch heute angehende Lokalautoritäten/Schamane (mamo) ebenso
wie zu vermählende Paare mit nächtlichen Reinigungen und anschließenden
Belehrungen auf ihre jeweiligen Aufgaben vorbereiten …
Beim
Aufstieg zur nächsten Ebene wird einmal mehr deutlich, dass die bisher
entdeckten zweihundert ovalen und runden, von der Vegetation weitgehend
befreiten Plattformen oft direkt miteinander verbunden sind – durch mit
flachen Steinen ausgelegten Pfaden, Treppen oder beidem.
Die bis zu
zwölf Meter hohen von Moos bedeckten Mauern, das die Wege säumende Buschwerk und
einige gewaltige Palmen, welche die ehemalige Zeremonienstätte
flankieren, betonen die mysteriöse Lage des Ortes und verbreiten mehr
als nur eine friedliche Stimmung – keine Sorge, wir sind noch immer nicht zu den
Esoterikern übergelaufen …
In unseren
kontemplativen Müßiggang bellen die Rotoren eines Helikopters, der auf
der größten
Plattform landet und eine Gruppe Sponsoren ausspuckt, die sich vom
Verbleib der Gelder ihres funds gerne ein Bild machen möchte. Sechs Köpfe,
deretwegen wir gestern Nachmittag umkehren mussten: Gewöhnliche
Sterbliche sind über Nacht im „historischen Denkmal“ wohl unerwünscht..jpg)
Dennoch
bleiben wir überwältigt von dem, was wir sehen, gesehen, erlebt und
erfahren haben und
weinen auch nicht einer einzigen unserer zahlreich verlorenen Schweißperlen eine müde
Träne nach …
...
auch nicht auf dem Rückweg, der lediglich am sechsten Tag nicht ganz so
in die Knochen fährt wie der Hinweg.
(Fotos vom
zweiten Versuch)
Reichlich
platt …
… und nicht
nur im Gesicht leicht zerknittert sinken wir im Ausgangsort unserer Tour,
El Mamey, in Komfort versprechende Plastikstühle, genießen ein
Dekompressionsbier, erfreuen uns am Mittagessen und nehmen es den
Hunden nicht weiter übel, dass sie naserümpfend einen Bogen um uns
machen. Je nach Windrichtung würden auch wir am liebsten vor uns selbst
davoneilen …
Das
ändert sich unter der heißen Dusche in unserer
Luxusherberge
überm Meer in Los Naranjos. Frisch wie der späte Frühling
genießen wir trockene Handtücher ohne Gebrauchsspuren, nicht
verschwitzte Klamotten, ein weiches, weiß bezogenes KingSizeDouble und
mehr als reichlich Platz für uns ganz alleine. Das Rauschen der Wellen,
die unter unserer Veranda am Strand auslaufen, ist Begleitmusik zu
unserer nach Tagen wieder aufgenommenen Malariaprophylaxe und ersetzt
jedes Wiegenlied. Selbst die härtesten Passagen der Wandertour rufen,
als wir sie am Abend Revue passieren lassen, nur ein zufriedenes
Schmunzeln hervor ...
(Ein- und Ausblicke
in Barlovento)
Wie am
Amazonas …
… stürzt in
der vierten Nacht „tropischer Regen“ (der erste seit einem halben Jahr)
auf unser
Felsennest, legt die Schwachstellen im Dach bloß und wässert die
erfolgreich sonnengetrockneten Kleidungsstücke, welche wir sorgsam im
Schrank aufgeschichtet haben. Die „türkisfarbene Korallensee“ (R’Know-How)
brandet bereits seit Tagen eher bleigrau unter eben solchem Himmel an
die „feinsandigen Palmenstrände“ (ebd.) des
Parque Nacional Tayrona und lässt das „verlorene Paradies“
(ebd.) auf Erden noch ein wenig verlorener erscheinen.
(im
Regen
...)
Gut, dass
wir ihm gleich, nachdem wir wieder zu Kräften gekommen waren, einen
Besuch abgestattet haben. Die Ausläufer der Sierra Nevada lappen mit
ihren dschungelbedeckten
Bergrücken
ins Meer und schaffen hübsch anzuschauende Buchten, in denen man jedoch
ob starker Strömung, verstreut liegender Felsbrocken und einer heftigen
Brandung nicht schwimmen kann. Ein schmaler Pfad zwischen hohen
Ceibas, Naranjuelos, anderer Gehölze und durch dichtes
Buschwerk führt an übergroßen, abgerundeten Monolithen vorbei zum
„Badestrand“ La Piscina. Nach gut drei Stunden über Stock und
Stein und durch tiefen Sand wissen wir, was wir getan haben, lassen uns
auf ein Bier in der Tienda von Señora Marta nieder und abends im Hotel
kulinarisch bescheiden verwöhnen.
(Aufnahmen
aus dem Park)
(weitere Infos)
Hundert
Tage …
… billigt
man Inhabern eines neuen Amtes zu, sich in selbigem mehr oder minder
zurechtzufinden. Nach gut 100 Tagen verlassen wir ein Land und wissen
nicht so recht, ob wir uns wirklich darin zurechtgefunden haben.
Die meisten
der oft recht unterschiedlichen Regionen haben wir bereist, waren von
zahlreichen der vielfältigen Landschaften angetan, von einigen
spektakulären sogar begeistert. Dass uns das „Voralpenland“ nördlich von
Bogotá nicht vom Hocker riss, lag an uns, die wir ein wenig gesättigt
waren, nicht an den sanften, mitunter auch schroffen, grünen Hügeln und
Bergketten. Exotisches, auf das wir aus waren, haben wir nach unserer
„ersten Etappe“ gefunden, reichlich.
Auch der
zahlreichen, oft recht schmucken und herausgeputzten Dörfer und Städte
im Kolonialstil wurden wir bald ein wenig müde – und damit nicht mehr
gerecht. Wahrscheinlich riefe ein Abfahren der Straße der Backsteingotik
ohne Unterbrechung oder ein Abklappern der Fallerhäuschendörfer in den
Alpen ähnliche Ermüdungserscheinungen hervor – Kultur hin oder her …
Getroffen
haben wir viele Einheimische, an allen möglichen Orten und in allen
möglichen Situationen – begegnet sind wir wenigen. Vielleicht, weil wir
uns recht schwer damit getan haben, frühzeitig darauf zu reagieren, dass
sie einfach ganz anders sind als die Menschen in Myanmar, welche wir auf
Anhieb in unser Herz geschlossen hatten.
Bis auf den
ein oder anderen Taxifahrer, der sich zu fein ist, auch nur die
Kofferraumklappe eigenhändig zu öffnen oder der sich in „seiner Stadt“
nicht auskennt, doch empört, dass ihm seine Irrfahrten nicht entgolten
werden, empfinden wir die Kolumbianer (gleich welcher Hautfarbe) als ausgesprochen korrekt, höflich
und hilfsbereit, gerade auch in der Administration, „auf Streife“ oder im
Immigrationsbüro. Bereits nach der ersten Woche zählen wir das
Wechselgeld nicht mehr nach, erkunden den Preis fürs Ticket nicht mehr
im Vorhinein und werden die Rechnungen im Restaurant nur noch
überflogen. Beschiss ist hier out, hartes Feilschen auch. Das (nicht
übliche) Trinkgeld, welches wir fürs Zimmermädchen in einem durchaus
renommierten Haus auf dem Nachttisch lassen, wird uns als „vergessen“
ins Taxi getragen …
Fliegende Händler wie Bettler lassen ab, sobald man
ihnen den entsprechenden Blick zuwirft. Jung und Alt erklären
bereitwillig den Weg, nehmen einen notfalls bei der Hand oder suchen
jemanden, der sich auskennt, ohne im Nachhinein die Hand aufzuhalten.
Und doch
scheinen uns die Menschen hier weniger offen, weniger neugierig, weniger
wissbegierig Fremde und das Fremde betreffend als die Birmesen – und
deutlich weniger zugewandt. Und genau darauf reagieren wir
augenscheinlich zu spät und zu wenig flexibel, warten drauf, dass mensch
stärker
auf uns zukommt, statt von uns aus „offensiv auf die locals zuzugehen“.
Schade! So entgeht uns einiges, wie wir peu á peu erfahren - wohl
auch "el unico riesgo". Machen wir
beim nächsten Mal ganz bestimmt wieder besser, versprochen …
Bis
demnächst
panther &
co
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