"Leinen los!" ...
Seit gut zwei Stunden bewohnen wir bereits unsere Zweierkabine, haben uns in
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Auch das „Welcome-Briefing“
ist vorbei – wichtigster Merksatz: "The bar is opened 24 hours a day." Bei
Abwesenheit des Bartenders sei Selbstbedienung Pflicht! Erfüllen wir doch
gerne …
Die Staff ist international gemischt und locker drauf. Das nimmt dem
späteren „Safety Briefing“ ein wenig die Schärfe: Auf Alarmsignal hin warm
verpackt, mit Schwimmweste und in Gummistiefeln zur Muster Station - und
dann ab IN die Rettungsboote. Dort Platz finden und nehmen,
bevor
die Maschine angeworfen wird und wir ein Gefühl dafür bekommen, wie eng und
wie laut Lebensrettung sein kann - und
wie wichtig …
Der Begrüßungscocktail kommt nach dieser Aktion gerade recht, und das
Abendessen, serviert, nicht selbstbedient, lässt uns keine Chance,
abzukühlen. Nachdem der Lotse am östlichen Ende des Beagle-Kanals von Bord
gegangen ist, geht’s ab auf die offene See – und in die Heia …
(Fotos vom
Ablegen)
(tatsächliche
Route)
Sonntag, Dezember 30, 2007
Fleetwood Mac …
… klingt einem im
Ohr, wenn man achtern die
Albatrosse mit ihrer riesigen Spannweite höchst elegant ganz dicht über die
Wellen gleiten sieht – kein Flügelschlag zu viel …
Unter einem nahezu wolkenlosen Himmel laufen wir vor dem Wind – gut für das
vegetative Nervensystem, das uns bereits während der vergangenen Nacht einen
ruhigen Schlaf beschert hat – keineswegs üblich in der
Drake-Passage, liegt sie doch in den
"Furious
Fifties".
Entsprechend wenig ausgedünnt versammeln sich die fünfzig
Mitreisenden, die ebenso international gemischt sind wie unsere Staff, am
Frühstückstisch.
Damit uns ja nicht langweilig wird – und wir nicht einfach nur
Albatrosse
oder Sturmvögel sehen, die das Schiff begleiten, trägt
Rinie, unser
niederländischer „naturalist“, sehr kurzweilig höchst Interessantes zum
Thema „Perfect Seabirds“ vor. Von nun an betrachten wir dieselben Vögel mit ganz
anderen Augen …
(Fotos von der
Drake Passage)
Montag, Dezember 31, 2007
Alle Vögel sind noch da …
… am nächsten Morgen – doch wir sind ein ganzes Stück weiter, in dem
Bereich, der bereits zur Antarktis zählt, südlich des 60sten Breitengrades
also.
Die Sonne hält,
was sie am Vorabend versprochen hat, der Wind treibt uns mit Stärke 7 vor
sich her und wir erfahren durch
Anja mehr über die
antarktische
Konvergenzzone sowie über die
Unterschiede zwischen Whiskey Ice und (Salt) Water Ice – auch letzteres
kann, zumindest mental, besoffen machen …
Passend zum Thema tauchen in Höhe der
Süd
Shetlandinseln die ersten
gigantischen Eis“berge“ auf, richtig: Eistafeln, Abbruchstücke des
Wedellschelfs, – das Olympiastadion
ist ein Schuhkarton dagegen, Helgoland könnte gerade passen …
Von einem „Ooooh“ zum nächsten „Aaah“ erfreuen uns
Magellanpinguine, die gleich neben
dem Schiff mit uns Verstecken spielen und, nicht weit entfernt,
zieht
ein Buckelwal selbigen nicht ein.
Nicht schlecht,
was der letzte Tag des alten Jahres noch alles aus der Kiste zaubert. Er
setzt noch eins drauf und lässt um Mitternacht einen sternenklaren
antarktischen Himmel in unsere Champagnergläser schmunzeln ...
(Fotos von den
ersten Eisbergen)
Dienstag,
Januar 01, 2008
Nichts so schlimm, …
…
für etwas gut, denn den ersten Landgang müssen wir buchstäblich in den Wind
schreiben.
Nach einer kurzen Nacht finden wir uns in Brown Bluff, einer Bucht südlich von Hope Bay, vor Anker – Wolken verhängen die Steilküste, Gletscherfelder geben ein wenig Licht.
Während des Frühstücks frischt der Wind so auf, dass an eine Tour im Zodiac
nicht zu denken ist. Also Anker lichten und bei strahlendem Sonnenschein
weiter durch den
Antarktischen Sund in die
Wedell Sea,
an Eisschollen vorbei, die mal eben anderthalb Kilometer lang, fast ebenso
breit und gut sechzig Meter hoch sind – soviel zu dem Siebtel, das sie uns
zeigen …
Vor
Vega Island stoßen wir ins
Packeis
– statt Landgang. Dafür treffen wir auf
Ross- und auf
Krabbenfresserrobben, die sich einen
Steinwurf weit von der Bordwand entfernt genüsslich den Bauch kratzen.
Pinguine
gestikulieren heftig über unseren Stahlkoloss und versuchen, ihn mit
eindeutigen Armzeichen zum Halten zu bringen. Als Klügere geben sie nach und
suchen das Weite – ganz in der Nähe ihrer Kolleginnen, die etwas gelassener
auf größere "Boote" reagieren und sich allenfalls vor dem Wind auf den Bauch
werfen.
Weil zwischen
Vega und der Halbinsel des Eises wegen kein Durchkommen ist,
kehren wir um. Im Sund bläst uns der Sturm heftig ins Gesicht – Abendessen
statt Landgang.
Die Witterungsbedingungen bestimmen den Tagesplan, niemand sonst …
(Fotos aus dem
Sund)
(zur
Orientierung)
(wikipedia von
Robben)
(Geschichte zur Antarktisexpedition Nordenskjölds)
Mittwoch, Januar 02, 2008
… ins Zodiac, um bei leichtem Regen den Eisbergen und den Pinguinen ein
wenig näher zu kommen, die sich auf und um
Astrolabe
in der Bransfieldstraße herumtreiben.
Doch
starker Wind und hohe Dünung lassen uns den Ankerplatz wechseln, bevor wir
endlich in die Boote können. Und dicht unter Land, besser: unter Eis, sehen
wir, warum die
Zügelpinguine einfach so heißen
müssen. Vom harten (Über-)Leben der Pelzrobben, hier sind z.B.
Weddellrobben anzutreffen, erfahren
wir etwas durch die wissenschaftlichen Vorträge – vor unseren Augen liegen sie nur faul
auf den Eisschollen, lassen sich treiben oder schnarchen vor sich hin.
Mit paar Sonnenflecken auf dem Rücken sehen die Gletscher ebenso wie die
eisbepackten Hügel gleich viel besser aus. Es ist auch nicht der Regen, der
unseren Landgang auf
Trinity Island (Orléans
Strait) mal wieder in Frage stellt – ein
katabatischer Wind peitscht das
Wasser, und das lässt sich so etwas nicht gefallen. Unsere
„Expeditionsleiterin“,
Delphine (sie heißt wirklich so), und die Crew auf
der Brücke geben sich alle Mühe und finden mit viel Geduld ein ruhigeres
Plätzchen.
Erste
Fußstapfen
im antarktischen Schnee hinterlassen wir, wenn auch „nur“ auf einer Insel,
bei
Mikkelsen Harbour, wo schon unzählige
Gentoo
Pinguine (Eselspinguine) und eine
Weddellrobbe warten. „Gar zu lieb“, wie ein Mitreisender meint. Recht hat er
…
(Fotos von
Astrolabe)
(Fotos von
Trinity)
Donnerstag, Januar 03, 2008
… hat Maurice Chevalier eigenen
Aussagen
nach immer dann gesungen, wenn ihm gerade der Text entfallen war – der
Glückspilz, er hatte wenigstens einen. Uns gehen die Worte aus beim
Betrachten der frühsommerlichen Winterlandschaften, der Eismassen, die sich
in der
Andvoord Bay an die Hänge schmiegen, der oft schroffen Ufer,
der unzähligen Eissprenkel in der Bucht, der Pinguine und Robben am Strand
und den sich ständig verändernden Ausblicken auf die Bergspitzen.
Nachdem wir aus
Neko Harbour wieder
ausgelaufen sind, werden die Passagen enger, das Wetter mit Nebel und
Schneefall merklich schlechter und die Fahrt ob der zahlreichen Eisberge im
Lemair Channel kritischer. Nicht kritisch genug, um den
vorbei ziehenden, leicht verschleierten Brocken nicht etwas Mysthisches
abgewinnen zu können.
Paradise
Harbour heißt alleine von der Landschaft her zu Recht so, und
der Landgang bei der derzeit unbemannten Forschungsstation
Almirante Brown
lässt uns zwar nicht auf Pinguine treffen, doch verschafft er dem Kopf ein
wenig Ruhe ...
... auch wenn einem die tragischen Umstände durch selbigen gehen, die zur Zerstörung dieses Vorpostens führten: "Der damalige Arzt hatte schon drei Überwinterungen hinter sich, als das argentinische Versorgungsschiff kam, das endlich seine Ablösung bringen sollte. Doch für ihn war wieder kein Ersatz vorgesehen, er sollte auf dem einsamen Posten zum vierten Mal für ein Jahr ausharren. Diesen Gedanken konnte er nicht ertragen. Als er kurz vor Beginn des Winters ein amerikanisches Schiff in der Nähe wusste, goss er in der Station Benzin aus und zündete es an. Seine Rechnung ging auf, und die Mannschaft wurde tatsächlich geborgen. Zurück blieben nur die Trümmer der Station" (aus Walther: Antarktis)
Im Schnee
oberhalb der Bucht machen die Augen trotz des atemberaubenden paradiesischen
Panoramas alle Luken dicht, nachdem in kurzer Zeit so viel Unterschiedliches
auf sie eingestürmt ist. An Schlaf ist bei all dem Sehens- und
Erlebenswerten nicht zu denken, außerdem ist hier rund um die Uhr hellichter
Tag. Schlimmer als beim Tauchen …
(Fotos von
Neko Harbour)
(Designs von
Cool&TheH2OGang)
(Fotos von
Paradise Habour)
(Fotos zur
Abendstille)
Freitag, Januar 04, 2008
Wenn die Sonne nicht
untergeht, …
…
muss mensch mit einem Sundowner nachhelfen, manchmal.
Überwältigende
Landschaften, die sich nicht wirklich mit dem Fotoapparat einfangen lassen,
faszinierende Gebilde aus gefrorenem Wasser und bemerkenswert gut
ausgestattete Vertreter der Tierwelt im
LeMaire Channel und vor allem
in der
Plenau Bay lassen uns einfach nicht zu Wort kommen – klickt
Euch selbst mal durch, wenn Ihr Eisberge und Robben überhaupt noch sehen könnt …
Auf
Petermann Island in der
Penola
Strait
machen
Gentoo- und
Adéliepinguine einmal mehr deutlich,
was friedliche Koexistenz unter den Bedingungen des hiesigen kalten
Krieges heißt. Unsere Augen und unsere Hirne nutzen die Gelegenheit, jeweils
ihr eigenes Ding zu machen. Das ersetzt zwar keinen Schlaf, lässt jedoch ein
wenig zur Ruhe kommen …
Am späten Nachmittag freuen sich die Jungs auf der ukrainischen
Forschungsbasis
Vernadsky Station
über die Unterbrechung ihrer Alltagsroutine und führen uns bereitwillig
durchs Haus.
Der Bartender
schenkt etwas gegen Skorbut, Depressionen und Schlaflosigkeit aus, das
anderswo wohl rezeptfrei als Malariaprophylaxe zu erwerben ist. Gegen ein Mittel
mit solcher Breitbandwirkung ist nichts einzuwenden, zumal Risiken und
Nebenwirkungen spätestens nach dem zweiten Glas zu vernachlässigen sind,
jedenfalls kann sich keiner von uns an welche erinnern …
… im
Gegenteil, sie schärfen die Wahrnehmung des fehlenden Sonnenuntergangs und
führen zu der Erkenntnis: Wenn die Sonne
nicht
untergeht, kann sie auch nicht aufgehen. Besser als umgekehrt …
(Fotos zum
Eisdesign)
(Fotos von
Robben)
(wikipedia zu
Seeleoparden)
(Fotos von
Adéliepinguinen)
(Fotos von der
Vernadsky Station)
Samstag,
Januar 05, 2008
… sind in der zum Museum gewordenen Base A von
Port
Lockroy nicht so recht zu
erleben, gibt es hier doch T-Shirts, Nippes und Bücher vor Sturm geschützt
in geheizten Räumen gegen Kreditkarte zu kaufen.
Die Küchenausstattung und die high tech Geräte der Radio Station lassen
einen dann in die Vorsechziger zurückfallen, als hier noch Klimaverhältnisse
und Magnetfelder erforscht wurden, nicht die Kaufwünsche vagabundierender
Touristen.
Allerdings haben
Freiwillige die Geschichte der Basis mit
allem Drum und Dran hervorragend aufbereitet – und gefällig präsentiert.
Den Gentoo Pinguinen scheint es wenig auszumachen, das wir über ihre Nester
stolpern müssen, um vom Anleger zur Station zu gelangen – Geld stinkt nicht,
sie selbst schon …
Im
Neumayer
Channel
die Augen offen zu halten, fällt schwer, trotz der
faszinierenden Landschaft und der Eisberge, die scheinbar die enge Passage
blockieren – zu grelle Sonne, zu wenig Schlaf.
Da kommt die
Landung auf
Cuverville
Island
gerade recht: Kurze Wegstrecke, viel Bekanntes in
aller Ruhe tief aufnehmen, sich selbst und seine Gedanken am Strand unter den Pinguinen verlieren ...
Mutter Natur schickt uns kurz nach dem Ankerlichten vor Orne Harbour zwei mal zwei
Buckelwale
plus Bonus,
die zu beiden Seiten des Schiffes gemächlich ihre Bahnen ziehen – und eine
Crew auf der Brücke, die das ebenso genießen kann wie wir. Kaum dass wir uns
am Buckeln, Blasen, Fluke zeigen und "bleaching" satt gesehen haben,
finden die beiden Paare mittschiffs zusammen und legen einen moderaten
Vierer hin. Dass sie das zum ersten Mal vorführen, merken wir, weil die
Synchronisation noch nicht ganz stimmt. Wir können ihre Kür Dank der Leute
am Steuer und dem höchst flexiblen Küchenteam eine gute Stunde lang
genießen.
Dann hat die Viererpluseinsbande anderes zu tun. Sie taucht mal eben unter und lässt
uns mit reichlich Gesprächsstoff zurück. Auch unsere Antarktis erfahrenen
Wissenschaftler und Bootsleute bekommen feuchte Augen und geraten ins
Schwärmen: Solch eine Vorführung hat bisher noch keiner von ihnen erlebt –
von wegen „in Ruhe ausschlafen“ …
Und weil die Sonne auch noch nicht schlafen geht, erinnern wir uns an die
Pflicht, die uns im ersten Briefing auferlegt worden ist.
(Fotos von der
Station
Port Lockroy)
(Antarctic
Treaty zu Port Lockroy)
(Fotos von
Cuverville
– für die, die noch immer nicht genug haben)
(Antarctic Treaty zu Cuverville)
Sonntag, Januar 06, 2008
Von Walen und Qualen …
… zeugen die
Hinterlassenschaften in Whalers Bay auf
Deception
Island.
Der zum Teil abgesunkene Vulkan, bereits zu den
Süd
Shetlandinseln zählend, birgt eine riesige Caldeira, die durch eine
schiffbare Verbindung zum Meer zugänglich ist. Aus dem dunklen bis rostroten
Sand ragen rostige Treibstofftanks, Tranöfen und arg lädierte Holzhäuser.
Walverarbeitungsstation bis in die späten Dreißiger, (militärische)
"Forschungsstation“ – Base B –, nach den Ascheregen und Schlammströmen
zweier Eruptionen aufgegeben, wirkt dieser Ort nicht nur wegen des bedeckten
Himmels recht düster und etwas trostlos, auch wenn uns hier nach „langer
Zeit“ größere Flecken Mooses grün entgegen leuchten.
Heide Wilts
(Gestrandet in der weißen Hölle) hat ihn recht zutreffend beschrieben.
Den Chinstrappinguinen scheint das nichts auszumachen und den Pelzrobben ist
der Strand gerade Recht, um auszuruhen.
Unser letzter Landgang vor dem Abheuern führt uns auf
Barrientos
in der
Aitcho
Inselgruppe. Der Spaziergang über
die Insel wird mit einem weiteren (nach all den vielen) Highlights
belohnt:
Hier schläft der Elefant persönlich.
Tonnen von noch nicht ganz volljährigen männlichen
See-Elefanten ruhen sich hier als
Single, Pärchen oder in Jugendgangs aus und komplettieren unsere Sammlung
„Robben in der Antarktis“. Ihre unbeholfenen Bewegungen an Land kompensieren
sie mit eindrucksvollem Brüllen und elegantem Gleiten im Wasser – Macker
eben …
Eine knappe halbe Stunde später sind wir wieder in der Drake Passage und
hoffen, dass
Rasmus
ähnlich milde mit uns verfährt wie während
der
Hinfahrt …
(Fotos aus
Whalers Bay)
(Antarctic
Treaty zu
Whalers Bay)
(wikipedia zu
Walfang)
(Fotos von
Barrientos)
(Antarctic Treaty zu Barrientos)
Montag,
Januar 07, 2008
17:28 h local time …
… haben wir die Drake Passage bei fast ruhiger See zur Hälfte hinter uns,
den versäumten Schlaf einigermaßen erfolgreich nachgeholt und Zeit gehabt,
um über all das Erlebte zumindest ein wenig nachzudenken. Dennoch treiben
die vielen Eindrücke wie ein frisch umgerührter Gemüseeintopf im Hirn umher
– und munden auch nach dem vierten Aufwärmen um keinen Deut schlechter ...
Knapp vierzig Stunden verbleiben noch, bevor uns die Zivilisation in Ushuaia
wieder hat.
Fest steht, dass dieser Teil der Reise auf diesem Schiff mit dieser fast
familiären Crew und diesen fantastischen Guides so ziemlich zum
Eindrucksvollsten gehört, das wir bisher erlebt haben, auch wenn wir Äpfel
nicht mit Bananen vergleichen sollten …
Zur Nachahmung dringend empfohlen!
Bis demnächst
panther & co